Ausrichtung und Größe

Klein ist das richtige Adjektiv, denn ABC der Kondensatoren von Stephan Menzel ist wirklich klein. Es hat nur 76 Seiten im Gegensatz zu den voluminösen 308 der L-Trilogie. Aber wie die Trilogie der induktiven Bauelemente handelt es sich um eine gebundene Ausgabe. Und es ist mit nur 9,90 € im Elektor-Shop wirklich preiswert, obwohl es das gleiche knackige Layout und die gleiche hohe Papierqualität hat.
Natürlich ist Würth auch ein großer Anbieter von „praktisch jedem Kondensator“, aber zu behaupten, dass das ABC der Kondensatoren nur veröffentlicht wird, um sich selber zu loben (und den Verlauf anzukurbeln) wäre schlicht falsch, denn es gibt keine einzige Würth-Bestellnummer in diesem Buch. Statt Kommerz bietet Würth echtes Grundlagenwissen. In der Tradition der Trilogie der induktiven Bauelemente ist das neue Buch ABC der Kondensatoren eine solide Abhandlung elektrischer, elektronischer und physikalischer Aspekte des Bauteils Kondensator. Audiophoole findet hier nichts, dass sie bei ihrer Andacht in Form einer „Sonntag-Nachmittags-Sound-Session mit ultra-linearem Kondensator XYZ für nur 45 $“ gebrauchen könnten. Vielmehr werden sie in diesem Buch über nicht-subjektive Dinge wie den Tangens-Delta-Faktor eines Kondensators unterrichtet und hoffentlich Schlussfolgerungen ziehen. Beim Lesen untermalt von Musik mit besonders niedrigen Verzerrungen, versteht sich.

Ordnung muss sein

Laut Untertitel folgt das Buch dieser Reihenfolge bei der Darstellung der Information:
  1. Grundlagen
  2. Kenngrößen
  3. Kondensatortypen
Da kann man schlecht was gegen sagen, vor allem wenn man die erschöpfenden Abhandlungen in den Kapiteln 1 und 2 bedenkt. Die Behandlung von Prinzipien und Eigenschaften im klassischen Lehrbuch-Stil ist – heutzutage ­ bemerkenswert! Tadellos gesetzte Gleichungen und Formeln sowie null Kompromisse bei den gefürchteten griechischen Buchstaben wie Alpha, Delta, Theta, Pi und Phi – auch adäquat als Groß- und Kleinbuchstaben! Es gibt richtige Indizes und sogar das Minuszeichen hat die gleiche Breite wie das Pluszeichen. Nur kurz: Ich kürze ab indem ich keines dieser Zeichen hier zeige, weil das webbasiert eh nicht wirklich gut darstellbar ist.
 
Eine Schwäche des Buchs liegt nicht in Fehlern, Auslassungen oder langwierigen Formulierungen – ganz im Gegenteil – sondern im Fehlen eines abschließenden Kapitels zur Kondensatorauswahl in der Praxis. In Kapitel 3 gibt es schon einen kleinen Hinweis auf diesen Mangel, wo Kondensator-Typen besprochen werten: Film-, Elektrolyt- und Keramik-Kondensatoren, wobei letztere in Klasse 1 bis 4 geteilt sind. Leider sind die Typen nicht mit irgendwelchen typischen Anwendungen in der Industrie verknüpft, was einen reibungslosen Übergang zu einer Anleitung zur Typenselektion erlaubt hätte, was ein guter Buch-Abschluss geworden wäre. Beispiel: Obwohl der NP0-Kondensator zu Keramik Klasse 1 (mit einem theoretischen Temperaturkoeffizienten TC = 0) gehört, würde eine kurze Beschreibung seiner Verwendung in Oszillatoren dem Buch eine praxisgerechtere Ausrichtung geben. Ich respektiere aber die Haltung des Autors: Theorie vor Praxis.