Wenn zwei Elektroden in einem mit Neon oder einem anderen Gas unter niedrigem Druck gefüllten Glaskolben angebracht sind und eine ausreichende Spannung an die Elektroden angelegt wird, ionisiert das Gas irgendwann und leuchtet um die negative Elektrode (Kathode) herum - orange bei Neon, andersfarbig bei anderen Gasen. Diese Bauteile werden „Kaltkathoden“-Geräte genannt, weil die Kathode nicht erhitzt wird, im Gegensatz zu thermionischen Röhren. Auf der Grundlage dieses Effekts wurde eine Vielzahl von Bauteilen entwickelt, von denen ich Ihnen hier einige vorstellen möchte.

V-I characteristic of a typical neon tube
Bild 1. Typische U-I-Kennlinie einer Neonröhre.

Das einfachste Kaltkathodengerät ist eine Neonlampe vulgo Glimmlampe. Diese (und Glühbirnen für niedrigere Spannungen) waren in der Zeit vor den LEDs die bevorzugten Betriebsanzeigen. Sie werden bei etwa 90 V ionisiert (die Zünd- oder Durchbruch-Spannung) und leuchten nach der Ionisierung bei einer Spannung von mindestens etwa 65 V weiter (die Haltespannung). Dieser Unterschied führt zu einem negativen Widerstandsbereich in der U/I-Kennlinie des Bauelements (Bild 1), so dass ein Relaxationsoszillator mit einer Neonlampe, einem Widerstand und einem Kondensator gebaut werden kann (Bild 2).

 

Neon lamp relaxation oscillator
Bild 2. Relaxationsoszillator mit einer Neonlampe.

Wenn Sie eine Glimmlampe als Einschaltanzeige für Wechselspannung verwenden wollen, müssen Sie aufgrund dieses negativen Widerstands einen Festwiderstand in Reihe schalten - üblicherweise werden für 230 V Netzspannung 220 kΩ genommen. Neonlampen besitzen symmetrische Elektroden, und wenn man sie mit Wechselspannung betreibt, leuchten beide Elektroden (Bild 3).
 

Neon lamps supplied with DC in opposite polarities, and AC, respectively.
Bild 3. Glimmlampen, Betrieb an Gleichspannung unterschiedlicher Polarität
(links, Mitte) und an Wechselspannung (rechts). Quelle: Wikimedia Commons

Die bekannten Neonreklamen an Orten wie dem Piccadilly Circus und dem Times Square nutzen den gleichen Effekt. Dabei werden geformte Röhren mit Neon oder einem anderen Gas gefüllt, manchmal mit einer kleinen Menge Quecksilber, und es können verschiedene Farben erzeugt werden. Noch mehr Farben sind möglich, wenn man eine fluoreszierende Phosphorbeschichtung auf der Innenseite des Glases aufdampft. Diese langen Röhren benötigen etwa 30.000 V, um zu leuchten!

Ebenfalls aus der alten Röhrenzeit stammen die Spannungsreglerröhren. Dabei handelt es sich um speziell konstruierte Neonröhren (in der Regel aber mit anderen Gasen gefüllt), die nach dem „Anzünden“ eine sehr konstante Spannung aufrechterhalten. Beliebte Modelle waren die OA2 (150 V), OB2 (106 V) und 85A2 (85 V). Diese Geräte waren die Äquivalente der heutigen Zener- beziehungsweise Avalanche-Dioden. Die Betriebsströme reichten von 1 mA bis etwa 40 mA.

Nixie tube with the “4” cathode illuminated. Usually, a red or orange filter is used to enhance contrast
Bild 4. Nixie-Röhre, bei der die Kathode „4“ leuchtet. Normalerweise wird ein
rotes oder oranges Filter verwendet, um den Kontrast zu erhöhen. Quelle: Wikimedia Commons

Heutzutage immer noch beliebt sind Nixie-Röhren (Bild 4). Diese Vorläufer der nun allgegenwärtigen Siebensegmentanzeigen waren nichts anderes als Neonröhren mit zehn Kathoden, die jeweils die Form einer Ziffer hatten. Sie lieferten sehr natürlich aussehende Anzeigen, und es gibt Leute (mich eingeschlossen), die sie schön finden und den modernen Displays vorziehen.

Heute noch weit verbreitet sind Blitzröhren (Bild 5), die in Kamerablitzen und Stroboskopen zum Einsatz kommen. Als Füllgas wird in der Regel Xenon verwendet. Sie haben zwei Hauptelektroden und eine kleinere Auslöseelektrode in der Nähe einer oder beider Hauptelektroden. Wenn einige hundert Volt an den Hauptelektroden anliegenn, führt ein Hochspannungsimpuls an der Auslöseelektrode dazu, dass das Gas zwischen den beiden Hauptelektroden ebenfalls ionisiert wird, wodurch der helle weiße Blitz entsteht, den wir alle kennen und lieben...
 

Flash tube and gas-discharge surge suppressor
Bild 5 zeigt eine Blitzröhre. Bild 6 ist ein Gasentladungsstoßdämpfer.

Ein weiteres weit verbreitetes Gerät sind Gasentladungs-Überspannungsableiter (Bild 6). Dabei handelt es sich um Bauteile mit zwei oder drei Anschlüssen, die jeweils aus einem Glas- oder Keramikrohr mit einer Elektrode an jedem Ende und einer in der Mitte bestehen. Die mittlere Elektrode ist in der Regel geerdet, und die beiden äußeren Elektroden sind zum Beispiel mit einer Telefonleitung verbunden. Jede Spannung, die über der Durchbruchsspannung liegt, führt dazu, dass das Gerät anschlägt und die Spannung im Falle einer Überspannung begrenzt.

Es gibt noch eine ganze Reihe anderer Kaltkathodengeräte. Leuchtstofflampen verwenden zwar in der Regel eine beheizte Kathode, es gibt aber auch Kaltkathoden-Typen, vor allem für die Hintergrundbeleuchtung von Handy-Displays. Quecksilberlichtbogen-Gleichrichter wurden früher zur Stromgleichrichtung verwendet, und Thyratrons sind der Vorläufer der heutigen SCRs. Dekatrons waren Zählrohre, die für die Zehnerteilung verwendet wurden, lange bevor 7490 und 4017 auch nur flüchtige Gedanken in den Köpfen ihrer späteren Erfinder waren. Aber diese Bauteile könnten (und werden hoffentlich) einen eigenen Artikel rechtfertigen.
 


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Dieser Artikel (230373-02) ist Teil von "Peculiar Parts, the Series" und erscheint in Elektor November/Dezember 2023.