Margot Cooijmans, die Direktorin der Philips Stiftung, hat im November letzten Jahres auf dem World Ethical Electronics Forum (WEEF 2021) über Unternehmen, ihre sozialen Grundlagen und ihre Rolle in der Gesellschaft insgesamt gesprochen. Hier reflektiert sie über aktuelle ethische Fragen im Zusammenhang mit Elektronik und vieles mehr.

Priscilla Haring-Kuipers: Wie haben Sie das erste World Ethical Electronics Forum erlebt?

Margot Cooijmans:
 Gesellschaftliche Relevanz ist für die Philips Stiftung und für mich persönlich sehr wichtig. Bei diesem ersten WEEF habe ich erlebt, dass viele Menschen in dieser Branche diese Initiative unterstützen. Das aufrichtige Streben nach Ethik in der Technologie wurde während der gesamten Konferenz deutlich. Ich glaube, dass in der Zukunft nur Unternehmen mit gesellschaftlicher Relevanz ihre Betriebslizenz behalten können.

Priscilla Haring-Kuipers: An welchen Punkten der Ethik in der Elektronik arbeiten Sie gerade?

Margot Cooijmans: Zu den Zielen von Philips gehören ein CO₂-neutraler Fußabdruck, ein zirkulärer Materialfluss und der konstante positive Einfluss auf das Leben der Menschen, insbesondere durch die Bereitstellung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung für benachteiligte Gemeinschaften (Ziel 3 für nachhaltige Entwicklung - Gesundheit und Wohlbefinden für alle). Philips möchte die Gesundheitsversorgung zu einer Dienstleistung machen, die auch die Wartung und Überholung von Geräten in unterversorgten Gebieten umfasst. Die digitale Gesundheitsversorgung kann Dienstleistungen zugänglicher und erschwinglicher machen und die Kosten der Gesundheitsversorgung durch Früherkennung und rechtzeitige Behandlung senken.

Die Philips Foundation versucht eine positive Rolle zu spielen, durch Investitionen in lokale Gesundheitstechnologien. Wir investieren in kleine Unternehmen, die das lokale Ökosystem verstehen, und entwickeln gemeinsam mit ihnen die am besten geeigneten Lösungen. Manchmal in Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Organisationen und immer öfter mit lokalen Start-ups helfen wir lokale Gemeinschaften. Wir verstehen, woran es vor Ort mangelt, warum und wo das Gesundheitssystem nicht funktioniert oder scheitert. Manchmal fehlt medizinisch geschultes Personal, in anderen Fällen ist das Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen Lebensstil und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gering. Es geht also um mehr, als nur mit einer technischen Innovation zu arbeiten. Es beginnt mit dem Verständnis des tatsächlichen Bedarfs. Telemedizin, Ärzte in der Ferne oder mobiler Ultraschall können Teil der Lösung sein.

Priscilla Haring-Kuipers: Was ist die wichtigste ethische Frage in Ihrem Bereich?

Margot Cooijmans: Kann die Gesundheitsversorgung finanziell tragfähig und für die unterversorgten Menschen zugänglich und erschwinglich sein? Die Philips Foundation möchte nicht spenden oder investieren, nur um ein Projekt auslaufen zu sehen, wenn das Geld ausgeht. Wir wollen in einen dauerhaften Zugang zu medizinischer Versorgung für benachteiligte Gemeinschaften investieren, mit dem Ziel, Systeme zu verändern. Es ist wichtig, ein Ökosystem zu schaffen, das selbstständig arbeitet und den beteiligten Menschen vor Ort ein Einkommen und/oder eine verbesserte Situation bietet.

Priscilla Haring-Kuipers: Was würden Sie gerne in einen Ethik-Kodex für die Elektronikbranche aufnehmen?

Margot Cooijmans: Beginnen Sie mit dem Bedarf. Entwickeln Sie nicht etwas, nur weil Sie es können, sondern fragen Sie sich, ob es einen gesellschaftlichen Bedarf für das Produkt gibt. In Bezug auf den Zustand der Welt ist es verantwortungslos, Produkte/Lösungen auf den Markt zu bringen, die keine Verbesserung für die Gesellschaft und die Umwelt bringen. Es ist an der Zeit, finanzielle Erwägungen mit (negativen) Auswirkungen auf die Menschen und den Planeten auszugleichen. Denken Sie inklusiv und erkennen Sie, dass Einflüsse, die zur Verarmung der natürlichen Umwelt führen, uns alle betreffen.

Priscilla Haring-Kuipers: Unmögliche Wahl: Wenn man eine Gesellschaft verändern will, muss man A) das Geld B) die Mütter C) das Gesetz verändern.

Margot Cooijmans: A. Unser Finanzsystem des kurzfristigen Gewinns ist veraltet und schädlich. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, und das System zerstört Flora und Fauna, indem es sich darauf konzentriert, aus Geld mehr Geld zu machen. Gleichzeitig machen wir Schulden für Länder, die sie niemals zurückzahlen können. Gesetze und Vorschriften verändern nicht die Gesellschaft, sondern die Realität verändert die Gesetze und Vorschriften, und sie folgen der Realität. Sie laufen der technologischen Innovation hinterher und stehen dem Systemwandel oft im Weg. Wir sollten tun, was richtig ist, und der rechtliche Rahmen wird folgen. Die Innovation kommt von den Menschen.
Priscilla Haring-Kuipers schreibt über Technologie aus einer sozialwissenschaftlichen Perspektive. Sie interessiert sich besonders für Technologien, die das Gute im Menschen unterstützen, und glaubt fest an die Wirkungsforschung. Sie hat einen MSc in Medienpsychologie und macht This Is Not Rocket Science möglich.
Ethics in Electronics - WEEF 2021

Mehr über WEEF 2022 und Ethik

Das World Ethical Electronics Forum 2022 (WEEF 2022), das für November geplant ist, wird auf dem Momentum der letztjährigen Veranstaltung aufbauen, auf der sowohl Priscilla Haring-Kuipers als auch Margot Cooijmans gesprochen haben. In den nächsten Monaten wird Elektor Artikel, Interviews und Umfragen veröffentlichen, die zum Nachdenken anregen. Besuchen Sie die WEEF 2022-Website für weitere Informationen.
 
 
Übersetzung: Vasileios Laskaridis