Der Wettbewerb auf dem Markt für Lösungen zur Elektromobilität nimmt zu. Laut CEO/Mitgründer von Meshcrafts, Paal Christian Myhre, ist Elektromobilität die Zukunft des öffentlichen und privaten Verkehrs. Er spricht über die Zukunft der Branche und die innovativen Produkte seines Unternehmens.

Der Markt im Bereich Elektromobilität

C. J. Abate: Was ist die Geschichte von Meshcrafts. Warum haben Sie das Unternehmen 2013 gegründet? 
 
Paal Christian Myhre: Die ersten Ideen bez. Meshcrafts stammen von Åsmund Møll Frengstad aus einem Studentenprojekt an der NMBU (Norwegian University of Life Sciences). Nach dem Gewinn eines Start-up-Wettbewerbs wurde Meshcrafts darauf aufbauend Ende 2013 mit Unterstützung von Inven2 gegründet, einem norwegischen Aktienfonds mit Fokus auf Start-ups.

Paal Christian Myhre (CEO/Co-founder, Meshcrafts)
Paal Christian Myhre
(CEO/Mitgründer von Meshcrafts)

CJA.: Wie hat sich der Markt im Bereich Elektromobilität seit 2013 verändert?

PCM.: Seit der Gründung von Meshcrafts im Jahr 2013 hat der Markt große Fortschritte gemacht. Früher wurde er von kleineren Autos wie Buddy, Think und Reva dominiert – nicht wirklich Autos bzw. kaum jemand hätte sie als "echte" Autos für den täglichen Gebrauch von Familien, Pendlern usw. betrachtet. Die ersten Änderungen ergaben mit der Einführung des Nissan Leaf und des Tesla Model S, den ersten größeren Elektroautos. In den letzten Jahren haben sich mehrere Automobilhersteller mit neuen Modellen in den Bereich der Elektromobilität gewagt und ihn damit in einen reiferen Markt verwandelt – das gilt insbesondere für den Markt für Kleinwagen für kürzere Strecken. Der Trend geht nun zu Elektroautos, die sich dafür eignen Autos mit Verbrennungsmotoren in allen Marktsegmenten zu ersetzen.
 
Anfangs wurden Elektroautos an normalen Haushaltssteckdosen aufgeladen. Aus diesem Grund lag unser Fokus zunächst auf Hardware mit einer IoT-Lösung, die elektrische Steckdosen zum Laden der Autos steuert. Mit der Zunahme von Elektroautos mit höherer Reichweite und größeren Akkus ergab sich ein Bedarf an speziellen Ladegeräten (Bild 1), wobei mehrere Hardwarehersteller Ladegeräte lieferten. Meshcrafts ist seit dem Start Teil der Open Charge Alliance (OCA, einer Organisation, welche die Standards für das Laden entwickelt) und trägt mit zum Aufbau einer intelligenten Ladeinfrastruktur für die neuen Autos und Märkte bei.
 

EV charging station, an e-mobility solution
Bild 1: Ein Ladegerät für Elektroautos im Osloer Wissenschaftspark.

Software von Meshcrafts


CJA.: Ist Meshcrafts ein reines Softwareunternehmen?

PCM.: Heute liegt der Schwerpunkt von Meshcrafts auf der Software zur Steuerung der Ladeinfrastruktur aus Sicht des Energiemanagements für alle Beteiligten im Bereich der Elektromobilität. Unsere Software SmartCharge gibt dem Besitzer einer Ladestation die volle Kontrolle über die Ladung an der Station mit Zahlung, Messung, vorausschauender Ladung, Wartung usw. (Bild 2). Die Last an den Ladegeräten wird ebenfalls entsprechend der Verfügbarkeit und der Last anderer Stromverbraucher im Netz überwacht und balanciert, so dass die Ladung von Elektroautos ein integraler Bestandteil der Energieflexibilität ist.
 

E-mobility solutions include the SmartCharge dashboard and app
Bild 2: Das SmartCharge Dashboard ermöglicht es Betreibern von Ladestationen, die Ladeinfrastruktur zu verwalten und
zu steuern. Die SmartCharge App hilft dem Benutzer bei der Suche nach Ladestationen und wickelt Transaktionen ab.

CJA.: Beschreiben Sie bitte Ihr Geschäftsmodell.

PCM.: Die Software wird unseren Kunden im Rahmen von „Software-as-a-Service“ als Monats-Abonnement für die mit unserer SmartCharge-Plattform aktiven Stationen geliefert. Wir verkaufen die SmartCharge-Lösung auch als „Platform-as-a-Service“ an größere Betreiber, die größere Netze von Ladestationen steuern (z.B. Tankstellenbetreiber).
 
CJA.: Wie rechnet sich das? Was sind z.B. Basic-, Advanced- und Premium-Pläne? 
 
PCM.: Zusätzlich zur monatlichen Gebühr für die von der Plattform kontrollierten Stationen erhebt Meshcrafts eine Gebühr auf den Umsatz für die Zahlungsdienste und einen Anteil an den Einsparungen, die der Infrastrukturbesitzer durch die Nutzung der Plattform erzielt. Die verschiedenen Pläne sind eine Funktion des von den Nutzern der Plattform gewünschten Service- und Funktionsniveaus.

E-Mobilität in Europa

CJA.: Erzählen Sie uns bitte mehr über Ihren Markt und Ihre Kunden.
 
PCM.: Unser Fokus lag auf Norwegen, sowohl als Heimatmarkt als auch als der Markt mit der weltweit höchsten Verbreitung von Elektroautos. Dies macht Norwegen zu einem idealen Platz für die Entwicklung von Lösungen für Elektroautos mit einem „echten“ Live-Markt für Tests. Als nächstes konzentrieren wir uns auf Deutschland, den Markt mit dem höchsten Wachstum aller EU-Länder. Unsere Kunden in den verschiedenen Märkten reichen von Eigentümern und Betreibern von Parkplätzen, über Flottenbetreiber von Elektroautos bis hin zu Kommunen und Energieversorgern, welche das Laden auf ihrem Parkplätzen anbieten. Die am schnellsten wachsende Kundengruppe in Norwegen sind Mehrfamilienhäuser mit Garagen, in denen Autos über Nacht geladen werden.

CJA.: Wie beliebt sind Elektrofahrzeuge (EV) in Norwegen? werden Elektroautos in Norwegen mehr nachgefragt als in den anderen skandinavischen Ländern? Wie sieht es im Vergleich zum Rest Europas aus?
 
PCM.: Norwegen ist bei weitem der Markt mit der höchsten Akzeptanz von Elektroautos. 23% der bisher in Europa verkauften Elektroautos wurden 2018 in Norwegen ausgeliefert, während Norwegen insgesamt weniger als 1% des gesamten europäischen Automobilmarktes ausmacht. Wir gehen davon aus, dass sich dies in den nächsten Jahren drastisch ändern wird, da mehrere neue Fahrzeugmodelle auf den Markt kommen und die Preise für Elektroautos sinken werden. So werden in Deutschland erstmals mehr Elektroautos pro Monat verkauft als in Norwegen. Und andere Märkte folgen diesem Trend.
 
CJA.: Um wie viele Ladestationen geht es in Norwegen? Und was ist mit anderen Ländern?
 
PCM.: Wir haben jetzt fast 1.000 Ladestationen auf unserer Plattform, die meisten in Norwegen. Wir haben auch in Deutschland einige Installationen und werden in den nächsten Monaten die ersten Ladestationen in anderen EU-Ländern eröffnen.

Intelligente E-Mobility-Lösungen

CJA.: Beschreiben Sie bitte die Smart Urban Mobility-Plattform. Was hat es mit den vierModulen Smart Charge, Smart Park, Smart Point und SmartCharge EV auf sich?
 
PCM.: Unsere Plattform wurde für die verschiedenen Herausforderungen der städtischen Mobilität entwickelt. Von Anfang an haben wir uns auf die Ladeinfrastruktur konzentriert. Mit Smart Park wollten wir die Nutzung der verfügbaren Parkflächen optimieren, den innerstädtischen Verkehr minimieren und damit den CO2-Ausstoß reduzieren. Smart Point wurde für die Steuerung anderer Steckdosen als der Ladestationen für Elektroautos mit dem gleichen Fokus auf das Energiemanagement konzipiert. Bei der E-Mobilität geht es auch um Busse, Fähren, Schiffe, kleinere Boote und später auch Flugzeuge. Alle diese Verkehrsmittel sollten in ein Ökosystem integriert werden, das den Energiebedarf deckt. SmartCharge EV ist unsere App für Fahrer von Elektroautos um zu den Ladestationen zu navigieren, um für das Laden zu bezahlen und um zur Routenplanung.
 
CJA.: Was unterscheidet Ihre Lösungen von anderen?
 
PCM.: Die SmartCharge-Plattform ist ein offener Marktplatz, der E-Mobilität und Energie mit einer breiteren Perspektive bez. Energiemanagement für alle Beteiligten verbindet, vom Fahrer und Eigentümer der Ladestation über den Netzbetreiber und die DSOs. Mit der erwarteten Einführung von Elektroautos in Kombination mit der zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energien führt das Management der Energie zur Optimierung der Nutzung der Ressourcen der verschiedenen Interessengruppen zu einem höheren ROI und senkt Kosten und Investitionen.
 
CJA.: Was wird in den nächsten Jahren passieren, wenn das autonome Fahren mehr Fahrtaufnimmt? Wird ein rascher Anstieg autonom fahrender Autos eine Bedrohung für Ihr Geschäftsmodell darstellen?
 
PCM.: Autonome Autos werden höchstwahrscheinlich Elektroautos sein und müssen daher ebenfalls aufgeladen werden. Die Aufladung dieser Fahrzeuge muss jedoch so geplant und optimiert werden, dass die Fahrzeuge fahrtüchtig sind, wann immer sie es sein sollten. Wir sehen dies als eine Chance für uns, den Betreibern dieser Fahrzeuge Dienstleistungen und Lösungen anzubieten, die sicherstellen, dass sie jederzeit ausreichend geladen sind.
 
CJA.: Was war der schwierigste Aspekt beim Start und Betrieb des Startups?
 
PCM.: Das Starten eines Startups ist nicht so schwierig. Die Nachbereitung ist der schwierige Teil. Mit begrenzten Ressourcen müssen Sie ein vielfältiges Team aufbauen, das in der Lage ist, alle verschiedenen Aufgaben eines Unternehmens zu bewältigen. In den meisten Fällen müssen die Teammitglieder mehrere Bereiche abdecken, verfügen oder erwerben daher breite Kompetenzen und haben wenig Zeit für Spezialisierungen. Die ersten Kunden an Bord zu holen, gleichzeitig aber auch die Plattform zu entwickeln, Investoren zu gewinnen und nach anderen Finanzierungsquellen zu suchen, ist zeitaufwendig und arbeitsintensiv. Die Konzentration auf die Aufgaben, die das Unternehmen auf die nächste Ebene bringen, ist unerlässlich und erfordert eine harte Priorisierung der Ressourcen.

Die Zukunft der Elektromobilität

CJA.: Was kommt als Nächstes für Meshcrafts? Wo sehen Sie die Firma in einem Jahr?
 
PCM.: Meshcrafts sucht Partner und Investoren, um neue Märkte zu erschließen, um eine Marktpräsenz aufzubauen und zum Aufbau der Infrastruktur für E-Mobilität. In zwölf Monaten hat sich Meshcrafts als einer der führenden Anbieter in Deutschland etabliert und ist in mehreren anderen europäischen Märkten vertreten – möglicherweise sogar in einigen asiatischen Ländern.
 
CJA.: Was denken Sie über die Zukunft der E-Mobilität?
 
PCM.: Wir sind fest davon überzeugt, dass der E-Mobilität die Zukunft für den öffentlichen und privaten Verkehr gehört. Gerade wegen meiner Leidenschaft für Autos bin ich zuversichtlich, dass ich nie wieder ein Auto mit Verbrennungsmotor kaufen werde. Ich freue mich schon sehr auf die autonomen Autos, die sich um den Transport von A nach B kümmern. Als leidenschaftlicher Fahrer werde ich das Fahren nicht aufgeben, sondern den aktiven Teil des Fahrens auf Schienen und auf Touren genießen.


Dieser Artikel wird auch in der Ausgabe November 2018 des Magazins Elektor Industry erscheinen.