Von Burkhard Kainka (Deutschland)

 

Drähte in Wasser und Finger auf Metalloberflächen - vor vielen Jahren bin ich schon einmal auf seltsame Effekte in diesem Umfeld gestoßen. Damals wollte ich Holzfeuchtigkeiten über eingesetzte Edelstahlschrauben messen. Die Kontakte änderten aber schnell ihre Eigenschaften, so dass weniger Strom floss. Die beiden Kontakte ließen sich sogar noch aufladen, und ich konnte nach einigen Sekunden noch eine Spannung nachweisen. Für mich habe ich das dann eine „Holzbatterie“ genannt. Später erst habe ich verstanden, dass es mit einer Wassermolekül-Doppelschicht zu tun hat, die einen Doppelschichtkondensator bildet. Aber nun erst habe ich die Sache mit weiteren Messungen geklärt.

 

Messung der Hautimpedanz 

Ausgangspunkt der Messungen war die Entwicklung eines Leitfähigkeitsmessers für die menschliche Haut (Bild 1) mit einem Mikrocontroller, der letztlich zu einem Lügendetektor werden sollte. Dort hatte ich mit Wechselspannung gemessen, genauer gesagt mit einem kurzen positiven Impuls und einem nachfolgenden gleich kurzen negativen Impuls. Das Ergebnis waren erstaunlich gute Leitfähigkeiten. Ein normales Multimeter zeigt einen Widerstand um 1 MΩ zwischen beiden Kontaktelektroden. Aber der Mikrocontroller kommt auf rund 10 kΩ.

Bild 1. Auswertung der Hautimpedanz.

Wenn man im Internet nach diesem Thema sucht, findet man sehr schnell, dass die Hautimpedanz frequenzabhängig ist. Je höher die Frequenz, desto größer wird die Leitfähigkeit. Außerdem sinkt der Widerstand mit steigender Spannung. Solche Untersuchungen wurden aus unterschiedlichen Motivationen durchgeführt. Einmal ging es um die Gefahren des elektrischen Stroms. Es wurde untersucht, welcher Strom unter welchen Bedingungen durch den Körper fließen kann. Dabei kommt heraus, dass der innere Widerstand von Hand zu Hand nur wenige Kiloohm beträgt, und dass der Hautwiderstand entscheidend ist. Bei großen Wechselspannungen wird der Übergangswiderstand sehr klein, sodass der innere Widerstand entscheidend wird. Stromschläge sind deshalb gefährlicher, als es das Ohmmeter vermuten lässt.

Die andere Zielrichtung solcher Untersuchungen liegt im medizinischen Umfeld. Man will wissen, wie EKG-Elektroden arbeiten oder welche Schlüsse man aus dem Körperwiderstand ziehen kann. Dabei kommt heraus, dass der Übergangswiderstand während der Untersuchung sich mit der Zeit ändern kann und dass er sich mit einer Salzlösung beeinflussen lässt. Der Eindruck bleibt, dass die Haut ein sehr komplexes Bauteil ist.

 

Ein Haut-Ersatzschaltbild

Was den Elektroniker aber eigentlich interessiert, ist ein für kleine Signale brauchbares Ersatzschaltbild. Bisher ist man meist von einem Widerstand in der Größenordnung 100 kΩ bis 1 MΩ ausgegangen, was aber offensichtlich nur für den Gleichstromfall bei kleinen Spannungen bis etwa 9 V stimmt. Bei Wechselspannung verhält sich die Haut anders. Also habe ich meinen Sinusgenerator eingeschaltet und einen Spannungsteiler aus zwei Fingern und einem Festwiderstand mit 10 kΩ gebaut.

Bei der Messung mit kleinen Spannungen um 1 V (Bild 2) kam heraus, dass der Stromverlauf dem unverzerrten Sinus folgt (Bild 3). Die starke Frequenzabhängigkeit konnte bestätigt werden. Zwischen 1 kHz und 10 kHz sank die Impedanz etwa um den Faktor 10. Die Hand mit den beiden Drahtelektroden verhielt sich also ähnlich wie ein Kondensator. Vergleiche mit verschiedenen Kondensatoren aus der Bastelkiste zeigten, dass ein Kondensator mit 3,3 nF sich sehr ähnlich verhielt.

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Bild 2. Messung mit Wechselspannungen.
Bild 3. Der Spannungsabfall am Widerstand.

Die ganze Messung lässt sich vereinfachen, wenn man mit einem Rechtecksignal misst (Bild 4). Dazu habe ich das Testsignal mit 0,2 V und 1 kHz vom Oszilloskop verwendet; das ist aber keine Wechselspannung, sondern eine pulsierende Gleichspannung. Die Ausgangsspannung ist 0,5 ms lang Null und dann 0,5 ms lang 0,2 V. Man kann das Signal als Gleichspannung von 0,1 V betrachten, die mit einer Rechteck-Wechselspannung von 0,1 V überlagert ist.

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Bild 4. Messung mit Rechtecksignalen.

Das Ergebnis sind die typischen Impulse eines RC-Hochpassfilters (Bild 5). Weil das Messsignal auch einen Gleichspannungsanteil hat, kann man erkennen, dass die Gleichstrom-Leitfähigkeit zu vernachlässigen ist, denn sonst wäre das Ausgangssignal deutlich in den Plusbereich verschoben. Damit ist also bestätigt: Die Haut verhält sich mit zwei Drahtelektroden wie ein Kondensator von wenigen Nanofarad. Parallel liegt ein hochohmiger ohmscher Widerstand von rund 1 MΩ.

Bild 5. Signalverlauf wie bei einem Hochpassfilter.

Eine Erklärung

Die große Kapazität von einigen Nanofarad bei der sehr kleinen Kontaktfläche der Drähte hat mich zu der Vermutung gebracht, dass hier tatsächlich ein Doppelschicht-Kondensator gebildet wird. Die Hautfeuchtigkeit bringt einen Wasserfilm auf die Metallfläche. An der Übergangsfläche bildet sich dann die Doppelschicht aus polarisierten Wassermolekülen. Das wäre also genau das Prinzip eines Superkondensators, bei dem man durch eine Graphit-Beschichtung für eine besonders große Übergangsfläche sorgt. Ein solcher Kondensator kann auch mit zwei Kupferdrähten in reinem Wasser gebildet werden (Bild 6). Die Messschaltung blieb gleich. Für vergleichbare Ergebnisse darf man die Drähte nur etwa einen Millimeter tief in das Wasser eintauchen.

Bild 6. Experimenteller Aufbau eines Doppelschichtkondensators.

Die Messungen (Bild 7, Bild 8) zeigen, dass das Wasserglas mit zwei Elektroden eine größere Kapazität hat als meine Hand. Man könnte die Kapazität aus der Kurve berechnen, aber ein Vergleich mit vorhandenen Kondensatoren tut es auch. Der Wasserkondensator hat ungefähr die gleiche Wirkung wie ein Folienkondensator mit 47 nF, und das schon bei der sehr kleinen Fläche bei nur rund 1 mm tief eingetauchten Elektroden. Falls man also einmal größere Kapazitäten benötigt, ist das kein Problem.

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Bild 7. Der Wasserkondensator an einer Rechteckspannung.

 

Bild 8. Ausgangssignal des Wasser-RC-Glieds.

Hiermit steht das Ergebnis fest. Die Impedanz von zwei Fingern mit Drahtkontakten entspricht der Ersatzschaltung in Bild 9.
Das genaue Ergebnis kann allerdings von Person zu Person stark abweichen und hängt natürlich sehr stark von der Berühungsfläche, von der momentanen Hautfeuchtigkeit und vom Anpressdruck ab.

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Bild 9. Das vereinfachte Ersatzschaltbild.

Wenn man diesen Kondensator genauer betrachtet, handelt es sich eigentlich um zwei Kondensatoren. Das eigentliche Dielektrikum sind die dünnen Wasserschichten zwischen der Haut und den Metallelektroden. Und dann gibt es natürlich auch noch einen inneren Widerstand des Körpers, zum Beispiel von einem Finger zum anderen. Alles zusammen führt zu einem erweiterten Ersatzschaltbild (Bild 10). Der innere Widerstand ist schwer zu bestimmen und wurde hier einfach mal mit 1 kΩ angenommen.

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Bild 10. Das erweiterte Ersatzschaltbild.

Wenn man die Frequenz immer weiter erhöht, sinkt die Impedanz des Hautkondensators immer weiter ab. Dann wird der innere Widerstand entscheidender. Schmerzhafte Erfahrungen dazu kenne ich aus dem Amateurfunk. Wenn man versehentlich den Ausgang eines Kurzwellensenders berührt, bekommt man keinen elektrischen Schlag, sondern man verbrennt sich die Finger. Aber das Ergebnis ist ganz anders als bei einer Berührung des heißen Lötkolbens. Es entsteht keine Brandblase wie am Lötkolben, und es fühlt sich völlig anders an. Die Wärme entsteht nämlich deutlich unterhalb der Hornhaut im tieferen Hautgewebe mit höherer Leitfähigkeit, und zwar dort, wo die Stromdichte am größten ist.

 

Anwendung: Berührungssensoren

Eine mögliche Anwendung der Finger-Kapazität ist eine automatische Morsetaste mit Berührungssensoren. Verwendet wird ein Mikrocontroller ATtiny85 (Bild 11) zusammen mit zwei Touch-Sensoren aus einem UKW-Radio (Bild 12). In dem Radio wurden die Sensorströme mit Transistoren verstärkt, es wurde also auf den Hautwiderstand gesetzt. Dabei zeigte sich der Nachteil, dass es ab einer gewissen Verschmutzung zu Fehlfunktionen kommen konnte.

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Bild 11. Automatische Morsetaste mit Berührungssensoren.
FigureBild 12. Die Berührungskontakte.


Wesentlich zuverlässiger ist eine Auswertemethode, bei der ein Mikrocontroller die Ladezeit des durch den Finger gebildeten Kondensators beobachtet (Listing 1).

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Ein Port (B3, B4) wird dazu zunächst als Ausgang low geschaltet und damit entladen. Dann wird der Port in den hochohmigen Zustand versetzt und zusätzlich der interne Pullup mit ungefähr 50 kΩ eingeschaltet. Nun beginnt die Aufladung des Sensorkondensators. Entscheidend ist, wann die Spannung am Port die Schaltschwelle von rund ½ VCC überschreitet. Für die gegebene Aufgabe reicht es, 10 µs zu warten und dann den Portzustand zu lesen. Wenn dann noch ein Low-Zustand erkannt wird, gilt die Taste als gedrückt. In dem Fall wird ein Rechtecksignal als Mithörton für den Piezolautsprecher an B0 erzeugt. Bild 13 zeigt eine Situation bei zu schwacher Berührung. Die Impulse steigen in 10 µs noch bis auf 4 V, sodass die Taste als nicht gedrückt gilt.

Bild 13. Signale am Port B3.

In der kommenden Elektor-Ausgabe, den „Summer Circuits”, zeige ich zwei weitere Anwendungsschaltungen: den Finger-Kondensator und die Zweifinger-Orgel. Bis dahin viel Spaß bei eigenen Experimenten!


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