Man mag das vielleicht vorschnell mit „Aha, nicht nur bei Chips herrscht der Mangel!“ oder mit „Die beginnende Inflation hat also auch den Papiermarkt erfasst!“ wegerklären, doch da steckt mehr dahinter. Zunächst: In Mitteleuropa und anderen Industriestaaten deckt die Herstellung von Vorpapierprodukten (Altpapier, Zellstoff etc.)  – denn um diesen Rohstoff geht es – nicht die Nachfrage. Also werden schon seit langem Papier bzw. Papiervorprodukte in nennenswertem Umfang importiert. Das schafft Abhängigkeiten, die sich in Zeiten von Schwierigkeiten bei Logistik, Nachschub- und Produktionsmengen wie zur Zeit zu Problemen formen, die zwangsläufig in Preissteigerungen münden.
 

Die Lage

Schon seit gut einem Jahr mehren sich die Zeichen, dass im Bereich Papier eine Kostenexplosion droht. Im Internet sind Schlagzeilen zu finden wie „Die Pandemie sorgt für steigende Papierpreise“, unter denen zu lesen ist, dass schon im März 2021 viele Lieferanten von Papieren ihre Preise bis zu 20% erhöhen werden. Und das war erst der Auftakt.

 
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Die Entwicklung der Großhandelspreise für Altpapier in den ersten drei Monaten 2021 (2015 = 100%). Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2022.


Wie im Diagramm zu sehen, hat sich laut statistischem Bundesamt der Altpapierpreis von Januar bis September 2021 fast verdoppelt und der Preis für Zellstoff ist im gleichen Zeitraum um etwa 50% angestiegen; nachdem die Preise in den Jahren davor recht stabil geblieben sind. Seitdem sind noch einige Monate mit weiteren saftigen Preiserhöhungen dazu gekommen. Die Preise schlagen z.B. auf Verpackungen voll durch und erhöhten sich im Bereich Papier für Druckerzeugnisse um knapp unter 20% (nur leicht gedämpft durch die in dieser Sparte sinkende Nachfrage von etwa -23% in den letzten 10 Jahren).
 

Weitere Preistreiber

Weiter ist relevant, dass z.B. in Deutschland der überwiegende Teil von Papierprodukten aus Holzexport-Staaten wie Brasilien (Anteil = 22,9%), Schweden (Anteil = 18,3%= oder Finnland (Anteil = 14,3%) stammt. Und der Markt ist trotz und aufgrund der Corona-Krise angespannt. Schon 2020 wurde mehr als 75% mehr Papier nach Asien exportiert als im Jahr zuvor. Klemmt es bei Materialknappheiten auch nur an einem einzigen lokalen Punkt, sind die Auswirkungen schnell global. Seit Anfang des Jahres sind laut „Le Monde diplomatique“ etwa 2.200 Arbeiter in der finnischen Papierindustrie im Streik. Der Streik sollte zunächst bis zum 19. Februar dieses Jahres dauern und wurde Anfang Februar vorläufig um drei Wochen bis zum 12. März verlängert. Auch wenn dabei nur ein kleiner Teil der weltweiten Produktion lahmgelegt wird, kann man sich leicht vorstellen, was dies für die Preise bedeutet. Allein für das erste Quartal gab es schon ohne die Folgen dieses Streiks eine Steigerung der europäischen Druckpreise um 50 bis 70% gegenüber dem Vorjahr.
 

Auswirkungen

Es ist wohl kaum eine Glaskugel nötig, um absehen zu können, dass die Preise für Papier im Laufe dieses Jahres und nur aufgrund des finnischen Streiks noch weiter stark steigen werden. Dies betrifft auch weite Bereiche der Industrie, die zunächst scheinbar wenig mit Papier zu tun haben, aber auf Verpackungen und gedruckte Anleitungen oder Zellstoff-Filter etc. nicht verzichten können. Die Papierpreise werden also die aktuellen inflationären Entwicklungen weiter antreiben. Ganz besonders von den Preissteigerungen für Papier betroffen sind naheliegenderweise die Verlage, die gedruckte Medien herausbringen. Gegenüber dem Online-Vertriebsweg im Internet werden sich physische Produkte wie gedruckte Bücher, Zeitschriften und Zeitungen weiter verteuern. Die Verlage werden daher aller Voraussicht nach diese immensen Kostensteigerungen nicht auffangen können, sondern ebenfalls ihre Preise für Druckerzeugnisse anpassen müssen.