Ringo ist ein Handy-Bausatz - Punkt.
Was man damit tun kann? 
Na ein Handy selber zusammenbauen!
Und wozu das?
Selbstverständlich um zu lernen, wie so ein Gerät „im Prinzip“ funktioniert.

Einblicke in die Hardware und Software von Handys sind nicht ganz so einfach zu bekommen, gehören sie doch zum Modernsten, was die Welt der Technik in den letzten Jahren zu bieten hat. Schließlich haben Apple und Co. mit Smartphones im letzten Jahrzehnt hunderte Milliarden Dollar verdient.
 
Aber wozu ein solches Gerät selber bauen? Tritt man damit automatisch in die Fußstapfen von Steve Jobs? Sicherlich nicht. Oder erwirbt man damit die nötigen Kenntnisse, um solche Geräte hacken und ganze Firmen oder Netze übernehmen zu können? Wohl auch nicht. Aber man lernt dabei zu verstehen, was die prinzipiellen Funktionen sind und wie sie funktionieren. Das ist doch auch schon mal was. Und es eignet sich Ringo super als Weihnachtgeschenk, von dem der Nachwuchs länger etwas hat, da er beim Zusammenbau (mit etwas Hilfe) viel lernen kann.
 
Der von CircuitMess als „Makerphone“ bezeichnete Bausatz entstammt einem Kickstarter-Projekt. Im zugehörigen Video bekommen Sie einen Eindruck von Ringo.

Lesen Sie bitte weiter nach dem Video unten.

 
Kickstarter-Video zu Ringo
 

Experimente mit Funk

Wer einstmals ein Verizon-CDMA-Gerät entwickeln wollte, musste viele hunderttausend Dollar und viel Geduld mitbringen - spätestens die oft (wahnsinnig komplizierten) Zertifizierungsprozesse schreckten kleine Firmen zuverlässig ab.
Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Situation insofern vereinfacht, als man für LTE und Co. meist keine Zertifizierung mehr braucht. Problematisch bleiben trotzdem die zu verwendenden Bauteile - wer sich einmal mit den (erheblichen) Ansprüchen eines Smartphone-SOC auseinandergesetzt hat, weiß sofort, dass dies eine heftige Hürde darstellt.
 
Egal ob man sich dem Thema Mobilfunk aus reinem Interesse, wegen seiner technischen Besonderheit oder einfach aus Spaß an der Freude nähert - der von CircuitMess entwickelt Handy-Bausatz ist auf jeden Fall ein Werkzeug, das Freude verspricht. Ich selbst bekam von Elektor ein Sample zur Verfügung gestellt, und im Folgenden werden Sie meiner Erfahrungen damit nachlesen können.
 

Was ist drin?

Als grundlegenden Architektur fiel die Entscheidung für einen ESP32, der mit einem mehr oder weniger fertigen, PCI-artigen Modul mit einem SIM800-Netzwerkprozessor kooperiert. Daraus ergibt sich eine ehe begrenzte Mobilfunkunterstützung: mehr als GPRS sucht man vergebens. Leider wird in manchen Ländern die 2G-Netze in nicht allzu ferner Zukunft deaktiviert werden. Aber keine Angst: Nicht nur in Europa wird das allerdings noch etwas dauern, denn da 3G aufgrund der schlechteren Sprachqualität zuerst abgeschaltet (und durch 5G ersetzt) wird, bleibt uns in den weit überwiegenden Teilen der Welt GSM noch etliche Jahre erhalten.
 
Sei dem wie es sei, ist schon das Auspacken interessant. Man findet sich mit einer Formschaumfläche in einem Karton konfrontiert (Bild 1), in der die einzelnen Module eingepasst sind. Wie so oft in modernen Zeiten gibt es keine ausgedruckte Bauanleitung - diese findet sich stattdessen im Internet.

 
Bild 1. Alle Teile des Bausatzes schön an ihrem Platz (Bild: CircuitMess).
Aus technischer Sicht ist der Ringo sonst aber ein durchaus umfangreich ausgestattetes Gerät. Der ESP32 kann auf einen externen Speicher in Form einer Micro-SD-Karte zugreifen, für die Anzeige steht ein farbiges 1,8“-Display mit einer Auflösung von 160 x 128 Pixel zur Verfügung.
 
Für die Interaktion mit dem Benutzer ist neben einer normalen T9-Tastatur auch ein richtiger kleiner Joystick vorgesehen. Im Bereich der Netzwerk-Kommunikation bietet Ringo sowohl Telefonie, als auch die Möglichkeit, SMS zu senden und zu empfangen. Die Audio-Ausstattung des Ringo ist dabei gut. Leider sind die Knöpfe auf den einzelnen Tasten ohne Aufdruck. Nicht schön, aber der übliche 12er-Block dürfte jedoch ziemlich selbsterklärend. Auf der Rückseite des Boards findet sich dann noch eine Gruppe von RGB-LEDs.
 

Zusammenbau!

Wenn man die Dokumentation liest und darüber nachdenkt, dass der Hersteller das Kit als für Elfjährige geeignet bezeichnet, merkt man schnell, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Die Auflösung des Rätsels: Das Board ist mit SMDs vorbestückt und man muss nur bedrahtete Bauteile einlöten – Sie müssen also nicht gleich noch einen Reflow-Ofen ordern ;-)
 
Meiner Meinung nach ist Aufbau des Kits fast idiotensicher. Interessant fand ich in diesem Zusammenhang, dass etliche Platinen durch eine Art „Spacer“ daran gehindert werden, sich mit einer Nachbarplatine kurzschlussproduzierend zu berühren. Bei den verwendeten Platinen zeigte das Entwicklerteam Liebe zum Detail: So sind am hauseigenen ESP32-Board beispielsweise nur auf einer Seite Pads bzw. „Lötaugen“ vorgesehen, während die Gegenseite komplett mit Lack bedeckt ist (Bild 2). Diese Vorsichtsmaßnahme verhindert das versehentliche Falschherumeinlöten der Header oder erschwert es zumindest sehr.

 
Bild 2. Eine Oberfläche der Platine ist völlig mit Lack bedeckt, sodass man Header kaum falsch herum einlöten kann.
Die verwendeten Pin-Header sind von sehr hoher Qualität - warum sie nicht schon auf korrekte Länge zugeschnitten waren wundert mich. Weniger beeindruckend empfand ich, dass zwei Spacer zwar unterschiedlich waren, aber das nur wenig, denn sie waren fast gleich groß. Insbesondere bei unerfahrenen Nachwuchselektronikern kann das zur Verwechslung führen. Außerdem verstehe ich nicht, warum man die Spacer verschrauben musste und nicht einfach 3D-gedruckte Abstandshalter beigelegt sind.
 
Nicht so glücklich fand ich, dass manche große Platinen wie beispielsweise der ESP32 nur von einer Schraube festgehalten werden (siehe Bild 3). Dies führt dazu, dass nicht nur ich, sondern vor allem insbesondere unerfahrene Löter die Platine wie hier zu sehen schief einlöten. Der Hersteller hat so etwas scheinbar schon eingepreist, denn mein Ringo war trotz dieser Schieflage problemlos zusammenzubauen.

 
Bild 3. Die zweite Platine obendrauf habe ich samt Header etwas schräg bestückt –
das Ganze funktioniert aber trotzdem problemlos.
Bild 4. Das sind die Bedienelemente und Anschlüsse
des fertig aufgebauten Ringo (Bild: CircuitMess).

Ein weiterer, eher kleiner Kritikpunkt ist, dass das Handbuch erst die Installation der Platinen und danach den Einbau der Knöpfe empfiehlt. Dies ist insofern ungünstig, als manche Knöpfe nahe an den Platinen liegen, was deren Aufstecken zu einer mechanischen Fummelei werden lässt. Bild 4 zeigt das fertige Handy samt der Beschriftung der Bedienungselemente.
 
Die Vorder- und Rückwand bestehen aus einem zweiteiligen, lasergeschnittenen Kunststoffblatt - eine sehr interessante Vorgehensweise. Das hat mir so gut gefallen, dass ich das wohl auch in zukünftigen eigenen Projekten so machen werde. Unterm Strich bleibt: Der Zusammenbau des Ringo ist eine sehr interessante Übung, bei der man einiges über mechanischen und sonstigen Aufbau lernen kann. Wirkliche Probleme beim Löten sind aus meiner Sicht nicht zu erwarten.
 

Erste Inbetriebnahme

Nach dem erfolgreichen Zusammenbau des etwas groß geratenen Selbstbau-Handys folgt die Betätigung der Power-Taste, um den eingebauten ESP32 aufzuwecken. Vermutlich wird man an dieser Stelle erst einmal zum Aufladen aufgefordert. Hierfür liegt dem Kit ein Ladegerät mit MicroUSB-Stecker bei. Falls Sie ein modernes Smartphone haben: Sein Ladekabel mit USB-C-Stecker passt nicht.

Als SIM-Karte ist ein Exemplar im Micro-Format erforderlich - eine heute übliche Nano-SIM-Karte ist zu klein und passt nur mit so einem kleinen Hilfsrahmen. Wer nach SIM-Karten für Internet of Things-Anwendungen sucht, ist nicht gut beraten, wenn er im Supermarkt oder Handyshop auf die Jagd geht. Seit einigen Jahren gibt es für das Internet of Things dedizierte Anbieter wie beispielsweise podGROUP, die - bei geringem Datenverbrauch - wesentlich günstigere Preise (im Bereich von 2-3 Euro pro Monat und SIM) anbieten können.
 
Da der ESP32 zur Ausführung eines vollwertigen Betriebssystems zu schwachbrüstig ist, muss man bei Modifikationen der Software aufpassen: Wer mit der Arduino-IDE einen neuen Sketch in das ESP32-SoC schreibt, eliminiert die darauf befindliche Firmware, welche die diversen Telefonfunktionen bereitstellt.
Der elegantere Weg ist die Einrichtung der auf PlatformIO basierenden Toolchain, die danach das Anpassen der Firmware ermöglicht. Analog zu einem klassischen RTOS gilt auch hier, dass alle Module zur Kompilationszeit in ein .bin-File wandern, das danach zur Ausführung gelangt.
 
Die von CircuitMess bereitgestellte Firmware taugt dabei übrigens nicht nur als Betriebssoftware – wer sie sorgfältig studiert, lernt den einen oder anderen Kniff über Systemprogrammierung.
 

Fazit

Kann Ringo ihr Smartphone arbeitslos machen? Die Antwort darauf ist aus vielen Gründen ein mehr als entschiedenes „Nein“. Ein modernes Smartphone kann einfach viel zu viel, was der Ringo nicht kann, und es hat eine um mehrere Größenordnungen höhere Prozessorleistung.
 
Trotzdem ist Ringo ein Kit, bei dessen Zusammenbau man sehr viel Freude hat und dabei mit Sicherheit einiges lernt. Quasi nebenbei taugt die hier realisierte Architektur auch zur Erzeugung diverser Special-Interest-Kommunikationssysteme.
Die Firmware des ESP32 ist - bei korrekter Programmierung - wesentlich kompakter als ein vollwertiges Betriebssystem wie beispielsweise Android. Sofern das Funkmodul über seine Schnittstelle immer nur mit verschlüsselten Informationen versorgt wird, lässt sich so ein Smartphone konstruieren, das gegenüber vielen Angriffsszenarien so gut wie unverwundbar ist. Und das ist für manche Anwendungen ein starker Pluspunkt.
 
Wenn ich 15 Jahre jünger wäre, würden mir noch sehr viel mehr Dinge einfallen, wozu man so ein selbstgebautes Handy alles verwenden könnte (außer zum „Posen“). Auf jeden Fall ist Ringo ein Kit, dass ich sehr gerne zusammengebaut habe.