Review: Raspberry Pi 400 auf den Zahn gefühlt

Tiefere Einblicke in den Raspberry Pi 400: Was genau ist das überhaupt, für wen ist er gedacht und vor allem: was genau steckt da drin?

RPi 400 – was ist das?

Rein technisch ist der Raspberry Pi 400 ein RPi 4 eingebaut in eine Tastatur. Folglich hat der Raspberry Pi 400 fast die gleichen Spezifikationen wie ein RPi 4 mit 4 GB RAM. Genau wie ein RPi 4 verfügt auch das Modell 400 über WLAN und Bluetooth. Doch es gibt einige Unterschiede.

Um einen RPi 4 in eine Tastatur einbauen zu können und gleichzeitig die Anschlüsse zugänglich zu machen, wurde die Platine neu gestaltet. Die meisten Anschlüsse des RPi 4 einschließlich des 40-poligen Erweiterungssteckers sind auf der Rückseite des Geräts verfügbar – aber eben nicht alle. Mehr dazu weiter unten.

Was kann man damit machen?

Der Raspberry Pi 400 ist ein recht leistungsstarker Tastatur-Computer mit WLAN, Bluetooth, USB- und Netzwerk-Anschluss. Um im Internet zu surfen oder Spiele zu spielen, braucht man nur einen Monitor und eine Maus anzuschließen. Wie jeder Raspberry Pi ist auch das Modell 400 dazu gedacht, damit Programmieren zu lernen. Das kann man damit sogar besonders einfach. Wie bisher auch kann man per Erweiterungsstecker externe Dinge steuern, indem man passende Peripherie anschließt.
 

Scratch?

Der Raspberry Pi 400 richtet sich eher an programmier-interessierte Benutzer als an Maker. Das Kit wird mit dem offiziellen Raspberry Pi-Handbuch für Anfänger geliefert (E-Book hier gratis herunterladen), das viele Programmierbeispiele sowohl für Scratch 3 als auch für Python enthält. Obwohl das Buch 40 Seiten über die Programmierung mit Scratch 3 enthält, ist genau dieses Tool nicht auf der microSD-Karte enthalten. Der 40-polige Erweiterungsstecker auf der Rückseite kann zum Anschluss von selbstgebauten Geräten verwendet werden, so dass auch Tüftler auf ihre Kosten kommen.
 

Geschichte wiederholt sich

Der Raspberry Pi 400 erinnert durch seine Form und den Erweiterungsstecker auf der Rückseite an Computer aus den achtziger Jahren wie den Apple II, Commodore 64, ZX Spectrum oder Ataris ST. Als ich nach diesen Klassikern schaute, stieß ich auf ein Zitat über den BBC Micro Model B, das meiner Meinung nach perfekt zum RPi 400 passt: „Ein kompromissloser Computer, der über den Selbstunterricht in der Computer-Technik hinaus viele Verwendungsmöglichkeiten bietet.“
 

Power-Ein/Aus-Taste

Verglichen mit dem RPi 4 ist der Raspberry Pi 400 für Anfänger leichter zugänglich, einfach weil er schön verpackt ist. Außerdem gibt es auch einen Soft-Taster als Ein/Aus-Schalter, was gut ist. Ich fand sein Verhalten allerdings etwas eigenartig. Er schaltet sich aus, wenn man die Taste loslässt. Meistens. Manchmal muss man sie etwa 5 s lang drücken, manchmal nur für eine Sekunde, und manchmal führt das zu einem Neustart…
 

Was steckt drin?

Da ich mit den RPi-Boards vertraut bin, musste ich natürlich unbedingt den Raspberry Pi 400 öffnen, um nachzuschauen, was drin ist. Das Öffnen ist einfach, da die Tastatur einfach auf die untere Schale „geclipst“ wird. Es gibt viele Clips, etwa alle 4 cm rundum. Sobald alle Clips gelöst sind, muss man die Oberseite vorsichtig zu sich drehen, da die beiden Teile durch ein flexibles Flachkabel (FFC) für die Tastatur verbunden sind.

Man hebe vorsichtig den Deckel des Steckers an und schiebe das Kabel heraus. Nun hat man zwei getrennte Teile. Man lege die Tastatur einfach beiseite.
 

Nun zum unteren Teil. Im Inneren befindet sich eine Metallplatte alias Kühlkörper, der mit vier winzigen Schrauben an der Unterschale befestigt ist. Nach Entfernung der Schrauben hebt man die Metallplatte vorsichtig an, denn sie ist mit wärmeleitendem Klebeband auf die CPU gepappt. Mit einem dünnen Metallwerkzeug (z. B. ein Teppichmesser) man man es vom Prozessor lösen.

Jetzt ist die Platine sichtbar. Abgesehen von ihrer Form sind die meisten Teile auf der Platine identisch mit denen eines „normalen“ RPi 4. Sie wird mit zwei Clips in Position gehalten und lässt sich leicht entfernen.
 

Schnellere CPU?

Das SoC auf meinem RPi 4 ist mit „2711ZPKFSB06BOT“ beschriftet, während auf das SoC meines 400ers der Aufdruck „2711ZPKFSB06COT“ zu lesen ist. Die Spezifikationen der RPi 400 erwähnen eine Taktfrequenz von 1,8 GHz – beim RPi 4 sind dies „nur“ 1,5 GHz. Ein RPi 400 dürfte also 20 % schneller sein.
 

USB-Tastatur

Die Stromversorgung und der Ethernet-Anschluss mit seinem externen Trafo sehen etwas anders aus. Neu ist natürlich der Tastaturanschluss und das IC vom Typ Holtek HT45R0072 daneben. Es handelt sich dabei um einen 8-Bit-Mikrocontroller mit USB-Schnittstelle. Sein Datenblatt zeigt die typische Anwendung: Eine USB-Tastatur – passt. Wenn man den Leiterbahnen auf der Unterseite der Platine folgt, sieht man die Verbindung mit dem USB-3.0-Host-Controller VIA VL805. Jetzt ist auch klar, warum ein Raspberry Pi 400 nur drei nutzbare USB-Anschlüsse von vier möglichen hat.
 

Kein Boot-EEPROM?

Neben dem USB-Controller befindet sich ein leerer Platz für einen Chip. Auf dem RPi 4 ist dieser Teil bestückt. Es gibt sogar zwei davon, und es scheint das Boot-EEPROM zu sein. Eine seiner Aufgaben ist das Ersetzen der Datei bootcode.bin in der Boot-Partition der SD-Karte. Ein Grund für das Fehlen dieses EEPROMs ist wohl, etwas Geld zu sparen. Außerdem kann so sein Inhalt nicht (durch ungeschickte User) überschrieben werden, was den Stress für die Kundendienstabteilung begrenzt.

 

Keine Kamera, Display & A/V-Anschlüsse

Der Raspberry Pi 400 hat die die Anschlüsse für eine Kamera, ein Display und die analoge A/V-Buchse nicht geerbt. Der Verzicht auf die Display- und A/V-Anschlüsse erscheint logisch, da Ton und Video perfekt über HDMI (von denen es zwei gibt) transportiert werden. Die Kamera kann einfach durch eine USB-Webcam ersetzt werden.
 
Der Slot für die microSD-Karte hat sich schließlich zu einem Push-Push-Typ gewandelt, was den Austausch der SD-Karte wesentlich einfacher macht als bei anderen RPis – ganz besonders, wenn diese in einem Gehäuse montiert waren. Aus Kosten-, Größen- oder anderen Gründen hat der Ethernet-Anschluss keine LEDs mehr.
 

Kühlkörper

Eine Metallplatte, die fast so groß ist wie die Tastatur, sorgt für die Kühlung der CPU. Ich vermute, dass sie mit Masse verbunden werden soll, da die Leiterplatte eine große Öffnung in der Lötmaske auf der Massefläche an der Stelle hat, an der der Kühlkörper eine Lasche hat, die zur Leiterplatte hinuntergeht. Die beiden sollten sich wahrscheinlich berühren, aber in meinem Exemplar taten sie das nicht.


 

Mehr Speicher gefällig?

Der Raspberry Pi 400 hat nicht die Möglichkeit, den Speicher durch einen größeren zu ersetzen oder mehr nachzurüsten. Im Moment gibt es nur ein Modell, so dass man im Gegensatz zum RPi 4 oder dem Compute Module 4 (CM4) die Platine nicht durch eine Platine mit mehr Optionen ersetzen kann. Aber vielleicht werden bald einige Varianten folgen.
 

Ist der Raspberry Pi 400 etwas für Sie?

Der Raspberry Pi 400 ist ein gut gestaltetes, einfach zu bedienendes und preisgünstiges Produkt für Leute, die sich für Python-Programmierung auf einer Linux-Plattform interessieren. Er eignet sich auch als einfacher und billiger Computer zum Surfen im Internet. Sein freundliches Aussehen wird definitiv Benutzer faszinieren, die bisher vielleicht von den nackten Raspberry Pi-Boards abgeschreckt waren.
 
Die Kehrseite der Medaille ist, dass der Raspberry Pi 400 mit seinem Aussehen ein Publikum ansprechen wird, das es nicht unbedingt gewohnt ist, auf technische Feinheiten zu achten. Daher wäre eine Abdeckung des 40-poligen Erweiterungssteckers eine sinnvolle Ergänzung gewesen.
 
Ursprünglich wurde die Raspberry Pi mit der Absicht konzipiert, Computer und Programmierung auch Menschen mit wenig Geld zugänglich zu machen. Stattdessen fand es jedoch schnell seinen Weg in Multimedia-Server und Retro-Gaming-Geräte. Vielleicht ist der Raspberry Pi 400 so, wie er von Anfang an hätte gemacht werden sollen? Vielleicht landet er diesmal in den Händen der ursprünglichen Zielgruppe?