Graphen kann viel. Jenseits von Bauteilen oder Solarzellen eignet es sich wohl auch zur Diagnose von zerebralen Krankheiten wie ALS und zukünftig wohl auch MS etc.

Das Problem der Diagnose von Krankheiten wie ALS (Amyotrophe Lateralsklerose – eine progressive, neurodegenerative Erkrankung) ist, dass sie wesentlich durch Ausschluss anderer Erkrankungen erfolgt. Direkte und spezifische Diagnosemöglichkeiten würden nicht nur Betroffenen lange Irrwege und eine Odyssee durch verschiedene Facharztpraxen ersparen, sondern auch die Behandlung früher beginnen lassen. Dies scheint nun möglich zu sein.

Wenn Graphen mit zerebrospinaler Flüssigkeit von Patienten mit ALS Kontakt hat, führt dies zu einer deutlichen und Veränderung der Schwingungseigenschaften des Graphens im Vergleich nicht nur mit nicht kranken Kontrollpersonen, sondern eben auch mit MS-Patienten (Multipler Sklerose), wogegen die Differentialdiagnose besonders in den Anfangsstadien schwierig ist. Diese deutlichen Veränderungen diskriminieren nun eindeutig, von welcher Art von Patient die Flüssigkeit kam – von einem mit ALS, MS oder keiner neurodegenerativen Erkrankung. Das ist ein großer medizinischer Fortschritt.

Graphen

Graphen ist bekanntlich ein Material aus nur einer Lage von Kohlenstoffatomen. Jedes Kohlenstoffatom ist durch chemische Bindungen an seine benachbarten Kohlenstoffatome gebunden. Die Elastizität dieser Bindungen erzeugt resonante Schwingungen (Phononen), die sehr genau gemessen werden können. Wenn ein Molekül mit Graphen interagiert, verändert es diese Resonanzschwingungen auf sehr spezifische und quantifizierbare Weise. Solch ein objektiver diagnostischer Test würde Patienten helfen, früher mit der Behandlung zu beginnen, um die Krankheitsentwicklung insgesamt zu verlangsamen.

Die diagnostischen Möglichkeiten scheinen noch nicht erschöpft, denn die Forscher der University of Illinois at Chicago konnten sogar feststellen, ob die Flüssigkeit von einem ALS-Patienten über oder unter 55 Jahre stammt. Es gibt auch Unterschiede zwischen älteren und jüngeren ALS-Patienten, nämlich zwischen der erblichen ALS, die in der Regel vor dem 55. Lebensjahr Symptome hervorruft, und der so genannten sporadischen ALS, die erst später im Leben auftritt.

Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Applied Materials & Interfaces veröffentlicht.