Irgendwie kann sich der Gesetzgeber nicht recht entscheiden: Ging am Anfang des Jahres die Zwangs-Haushaltsabgabe aka Kultursteuer um ganze 48 ¢ runter und wurde vor einer Woche quasi als Ausgleich die Maut auf Landstraßen beschlossen, scheint die Gier auf den Geldbeutel der Bevölkerung ungebrochen: Die große Koalition plant anscheinend getreu diesem Motto auch noch die Erweiterung der Urheberrechtsabgabe. Statt lediglich auf Festplatten, SSDs und Speicherkarten wie bisher, soll sie angeblich auch auf die Chips angewendet werden, die heutzutage die Privatkopie erst ermöglichen: Die CPUs!

Eine große Koalition hat einen enormen politischen Vorteil: Da sie über mehr als eine Zweidrittelmehrheit verfügt, kann sie im Prinzip beschließen, was sie will. Dabei stören auch ein paar Umfaller oder Aufrechte nicht, die ein Gesetz nicht mittragen wollen. Bei dieser Idee der Geldschöpfung hat aber nicht nur der Lobbyismus der Medienkonzerne Früchte getragen, sondern es soll sich laut gewöhnlich gut informierten Kreisen vor allem auch um eine Retourkutsche Nordrhein-Westfalens gegen Bayern handeln. Die neue PKW-Maut wurde bekanntlich ja allein aufgrund des Drucks der CSU beschlossen und wird gerade NRW hart treffen, da so der kleine Grenzverkehr zu Belgien und Holland tangiert wird und vor allem Niederländer wohl weniger Konserven bei Aldi einkaufen werden. Eine Urheberrechtsabgabe auf CPUs, Mikrocontroller und SoCs wird aber hauptsächlich die High-Tech-Industrie treffen, die im Großraum München angesiedelt ist. Die NRW-SPD will wohl die typische Frühjahrsbelebung Anfang April in Bayern abwürgen.

Worum es geht? Geplant ist nach ersten Vorentwürfen eine Neufassung für die korrekt „Pauschalabgabe“ genannte Steuer nach §1 Abs. 4 Urheberrechtsgesetz, nachdem alle sogenannten „Recheneinheiten im engeren Sinne“, darunter fallen sowohl CPUs für PCs als auch Arm-Core-SoCs wie z. B. für Tablets und Smartphones als auch Mikrocontroller wie z. B. für das IoT (Internet of Things), mit einer Abgabe belegt werden. Ein erster Entwurf sieht in Ermangelung anderer klarer Kriterien schlicht eine von der Taktfrequenz abhängige Abgabe von zunächst 1 ¢/MHz vor. Dies scheint zunächst wenig, doch bei den aktuell schnellsten x86-Prozessoren mit 4 GHz kommen da schnell 4.000 ¢ = 40 € zusammen. Pro Core! Eine Core-i7-CPU modernster Bauart mit ihren vier Kernen und damit ein High-End-PC würde damit merkbare 160 € teurer als bisher! Ob es für virtuelle Cores etwa durch Hyperthreading eine Ermäßigung gibt, ist noch nicht einmal sicher.
Auch vor Smartphones macht die Begehrlichkeit nicht halt: Das iPhone 6 zum Beispiel ist mit einem Dual-Core-ARM-Chip des Typs A9 bestückt, der mit 1,4 GHz läuft. Hier kommen auf Apple 2 x 14 = 28 € pro Gerät zu. Noch schlimmer trifft es Hersteller von Android-Smartphones. Samsung will ja ab dem 10.04.2015 sein neuestes Flaggschiff, das Galaxy S6 verkaufen. Dieses Handy ist mit einer hauseigenen Quad-Core-ARM-CPU mit sage und schreibe 2,1 GHz ausgestattet. Samsung wird also für seinen Innovationseifer mit einer Urheberauflage von schon fast unverschämten 4 x 21 = 84 € bestraft. Damit wird der Preisvorteil gegenüber dem Hauptkonkurrenten Apple mit 56 € empfindlich verringert!
Lediglich Anwender kleiner 8-bit-Mikrocontroller etwa von Atmel oder MicroChip müssen sich kaum Sorgen machen. Mit den typischen 16 MHz = 16 ¢ bleibt der Griff in den Geldbeutel von Bastlern relativ bescheiden. Aber die kommende Revolution des IoT wird aufgrund der schieren Masse dennoch empfindlich getroffen. Da es sich eindeutig um eine technikfeindliche Steuer handelt, haben sich Aktivisten zusammengeschlossen, die das Vorhaben noch verhindern wollen. Auch wir von Elektor können nur zur regen Beteiligung an dieser EU-Petition ermuntern.

Bild: ARM-Die-Foto von Pauli Rautakorpi, nachträglich retouchiert