Der Raspberry Pi erschien 2012 und konzentrierte sich darauf, Einzelpersonen Werkzeuge zur Entwicklung innovativer Lösungen an die Hand zu geben. Der erste serienmäßige Raspberry Pi bot Bastler:innen jeden Alters eine erschwingliche Plattform, um die Grundlagen des Programmierens zu erlernen. Ein Hauptziel der frühen Geräte war, den Zugang zu Hardware und Programmierkenntnissen zu erleichtern. In den folgenden Jahren war dies ein voller Erfolg. Die Raspberry Pi-Entwicklungsboards boten eine Plattform für unzählige Projekte.
 
Mit der Einführung des Raspberry Pi Compute Module bestehen zahlreiche neue Anwendungsoptionen für die kompakte Plattform. Entwickler:innen auf allen Ebenen, von Bastler:innen bis zum Unternehmen, nutzen den Raspberry Pi auf eine Art, die in den Anfangstagen nie in Betracht kam.
 
Der industrielle Raspberry Pi: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Im Hobbybereich verwurzelt

Die ersten Raspberry Pi Single-Board-PCs inspirierten Bastler:innen in Garagen, Kellern und Klassenzimmern weltweit zu neuen Wegen zur Umsetzung und Automatisierung von Ideen.

Die passionierte Raspberry Pi-Online-Community bot eine Plattform zum Austausch von Inspirationen und half anderen bei ihren Projekten. Die Community wuchs schnell zu einem Kollektiv Gleichgesinnter, deren Austausch von Ideen, Code und Anleitungen aufeinander aufbaute. Dies inspirierte nachfolgende Produktveröffentlichungen von Raspberry Pi.

Beispiele für faszinierende Raspberry Pi-Projekte sind leicht zu finden. Mit der beliebten Emulationssoftware RetroPie lassen sich Retro-Videospiele auf einem Raspberry Pi spielen. Beim Magic Mirror wird ein Raspberry Pi in einen Spiegel eingebettet, um die Wettervorhersage oder E-Mails anzuzeigen. Obgleich diese Projekte für individuelle Zwecke entwickelt wurden, ist unschwer erkennbar, wie die gleichen Konzepte zur Entwicklung kommerzieller Produkte dienen können.
 
Einige dieser Heimprojekte sorgten in den sozialen Medien für Aufsehen. Es entstanden ganze Publikationen um sie. Mit fortschreitender Innovation folgten schnell marktfähige Raspberry Pi-Lösungen und erste kommerziell erhältliche Produkte kamen auf den Markt. Dennoch hielt sich der Eindruck, der Raspberry Pi sei ausschließlich für den Freizeit- oder Bildungsbereich gedacht und nicht für kommerzielle, geschweige denn industrielle Anwendungen.


Das Rapid Prototyping auf dem Pi schlägt die Brücke zur Industrie

Erste Konzepte für einen industriellen Raspberry Pi wurden unter anderem von Studierenden mithilfe des Pi-SOC entwickelt. Sie machten die Erfahrung, wie einfach und schnell sie Prototypen erstellen und mit Automatisierungs-, Steuerungs- und IoT-Projekten beginnen konnten. Daher war es klar, dass Produktentwickler und Design Ingenieurinnen nach Möglichkeiten zur beruflichen Nutzung dieser Werkzeuge suchten.
 
Die Möglichkeit, Prototypen auf einem kostengünstigen Board zu erstellen, senkte die Einstiegskosten für die Entwicklung von Lösungen und Systemen enorm, verglichen mit dem Prototypenbau auf herkömmlichen Desktop- oder Industrie-Systemen. Aus Smart-Home wurden Smart-Building-Anwendungen. IoT-Sensoren für zu Hause wurden zu IoT-Sensoren zur industriellen Datenerfassung.
 
Der extrem effiziente Innovationsmotor in Form der Raspberry Pi-Community ermöglichte es, Ideen zu erarbeiten und per Crowdsourcing Lösungen zu finden, in einer für die Industrie nicht üblichen Geschwindigkeit. Die explosionsartige Entwicklung des industriellen Internet of Things (IIoT) ließ Lösungsanbieter nach immer kleineren, leicht integrierbaren PCs suchen. Von der Gebäudeautomatisierung und Smart-Factory bis hin zu Digital Signage und SPS-Anwendungen erfüllt der Raspberry Pi zunehmend die Anforderungen an Funktionen und Anpassungsoptionen. Laut Raspberry Pi-CEO Eben Upton wurde der Computer bis 2020 von über der Hälfte der Raspberry Pi-Endnutzer:innen für kommerzielle und industrielle Zwecke eingesetzt.
 

Das Raspberry Pi Compute Module

Am 7. April 2014 kündigte James Adams, COO & Hardware Lead von Pi Trading, das erste Raspberry Pi Compute Module (CM) auf dem Unternehmens-Blog an:

“Wir sind bereit, etwas ganz Besonderes zu präsentieren, das sich diesmal an gewerbliche und industrielle Nutzer richtet.”
~James Adams, COO & Hardware Lead of Pi Trading
 
Die neue Plattform enthielt die "Innereien" des Raspberry Pi auf einem kleinen Board, das in einen Standard-DDR2-SODIMM-Steckplatz passte. Das Compute Module hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem RAM-Stick. Es sollte in PCBs (Printed Circuit Boards) integriert werden – gemeinhin als Carrier-Boards oder Trägerplatinen bezeichnet.

Die Veröffentlichung des Raspberry Pi Compute Module war wohl der Wendepunkt für Industriegeräte mit Raspberry Pi. Die Integration eines Raspberry Pi in anwendungsspezifische Carrier-Boards ließ Hardware Designer die Formfaktor- und I/O-Verbindungsoptionen erweitern. So konnten sie individuelle Unternehmens- oder Branchenanforderungen erfüllen.


Der industrielle Raspberry Pi gedeiht

Im Jahr 2020 veröffentlichte Raspberry Pi die 4. Generation des Compute Module. Das CM4 bietet die beeindruckenden Leistungssteigerungen des Raspberry Pi 4. Es umfasst einen Broadcom BCM2711 Quad-Core Cortex-A72 (ARM v8) 64-Bit-SoC mit 1,5-GHz-Prozessor, OpenGL ES 3.0-Grafik und erweiterte Speicheroptionen. Der für Embedded-Anwendungen konzipierte Formfaktor hat sich vom ursprünglichen DDR2 SODIMM-Anschluss zu einem doppelten 100-poligen elektrischen High-Density-Schnittstellenanschluss gewandelt.

Das CM4 besitzt Komponenten mit längerem Lebenszyklus, erweiterte Performance-Funktionen und einen leicht integrierbaren Formfaktor. Dadurch öffneten sich die Tore für Lösungen auf Basis eines echten industriellen Raspberry Pi. Was jedoch fehlte, war die Möglichkeit für Industrie-Nutzer:innen, eine vorgefertigte Plattform zu ermitteln, zu konfigurieren und darauf zu standardisieren. Dadurch sollten sie die Sicherheit für den Lösungsentwurf im großen Maßstab gewinnen.
 
Heute bieten Hardwarehersteller zahlreiche industrielle Raspberry Pi-Geräte. Sie unterscheiden sich in der vorgesehenen Anwendung, den Fähigkeiten und der Qualität, aber haben ein gemeinsames Ziel: den Raspberry Pi endlich in die Industrie zu bringen – auf skalierbare, zuverlässige und kosteneffektive Art.


Die Factor 200-Serie der industriellen Raspberry Pi-Computer

Ein Beispiel für die neue Generation industrieller Raspberry Pi-PCs ist die Factor 200-Serie von OnLogic. Die Geräte vereinen ein industrielles Carrier-Board für das CM4 und ein speziell entwickeltes lüfterloses Industrie Gehäuse. Der Factor 202 bietet außerdem zusätzliche digitale Ein- und Ausgänge (DIO) und analoge Eingänge für eine anpassbare Gerätekommunikation und Signalübertragung. Die Factor 200-Serie und ähnliche PCs schaffen einen Platz für den Raspberry Pi in der Industrie. Projektentwickler:innen, die nach skalierbaren, ARM-basierten Lösungen suchen, werden darauf aufmerksam.
 
Sie möchten selbst einen industriellen Raspberry Pi erleben? Sie finden die Factor 200-Serie auf der Electronica 2022 vom 15. bis 18. November in München. OnLogic wird am ISMOsys-Stand (Nummer 158) in Halle C2 sein.

OnLogic electronica 2022