Von Prof. Dr. Martin Oßmann

 

Bevor man ein solches Projekt angeht sollte man sich natürlich Gedanken machen, wie ein solches Konzept realisierbar ist. Hierzu kann man sich an den Aufbau einer „fertigen“ Stromzange anlehnen. Eine Stromzange besteht im Prinzip immer aus zwei Ferritkernhälften. Der Kern ist dabei so zusammengesetzt, dass die beiden Häften einen Luftspalt aufweisen (Bild 1). Durch einen vom Kern umschlossenen Leiter fließt dann der Strom nI.

Bild 1. Geometrie des Magnetfelds.

 

Mathematische Zusammenhänge

Dabei entspricht der Index n der Windungszahl (die angibt, wie oft der Leiter um den Kern gewickelt ist) und damit dem Multiplikationsfaktor, mit dem das Magnetfeld des Messstroms I den Kern magnetisiert. Die magnetische Flussdichte im Kern Bc (der Index c steht für Core = Kern) ist die gleiche wie im Luftspalt Bg (der Index g steht für Gap = Spalt) – es gilt daher Bg = Bc. Dies ist eine Folgerung aus den Maxwellschen Gleichungen. Vereinfachend geht man davon aus, dass die Magnetfelder in Kern und Spalt homogen sind. Im Luftspalt gilt die Materialgleichung Bg = μ0 x Hg. Im Kern gilt entsprechend Bc = μr x µ0 x Hc. Die Permeabilität μr typischer Ferrit-Materialien liegt bei etwa 2.000. Daraus ergibt sich Hg = μr x Hc, d.h. im Kern ist die magnetische Erregung um den Faktor μr kleiner als im Luftspalt. Praktisch kann man daher die Erregung im Kern oft vernachlässigen.

 

Das Ampèresche Gesetz sagt nun, dass das Wegintegral über H entlang einer Kurve um den Strom nI gleich nI ist. In Bild 1 ist die Kurve mit C bezeichnet. Der Luftspalt hat hier die Länge lg 1,6 mm und die Länge in einer Kernhälfte ist lc = π x dc / 2 mit dem Kerndurchmesser dc = 18 mm. Das Ampèresche Gesetz liefert also:

2 x lg x Hg + 2 x lc x Hc = nI

 

Setzt man den Wert von Hc ein und löst nach Hg auf, erhält man:

Hg = nI / (2 x lg + 2 x lc / µr)

 

Damit kann man das von den Sensoren erfasste Magnetfeld in Abhängigkeit vom Strom berechnen. In diesem Projekt werden zwei Hall-Sensoren des Typs A 1324 LUA-T mit einer Empfindlichkeit von S = 5 mV / G verwendet. Damit ergibt sich an den Sensoren eine Spannung von:

U = 2 x S x µ0 x nI / (2 x lg + 2 x lc / µr)

 

Wenn man das numerisch auswertet ergibt sich:

I x 38,92 mV A

 

Für übliche Ströme erhält man also Spannungen im Millivoltbereich, was nicht gerade viel ist. Vernachlässigt man das Feld im Ferrit, erhält man die vereinfachte Formel:

S x µ0 x nI / lg

 

Danach ergibt sich mit I x 39,26 mV A fast der gleiche Skalierungsfaktor wie zuvor.

 

Der Ferrit-Kern

Der Kern der DC-Stromzange besteht aus zwei halbkreisförmigen Ferriten die einem EMV-Klappferrit entnommen wurden (Bild 2).

Bild 2. Anordnung der Hallelemente am Kern.

Auf eine Hälfte wurden die zwei Hall-Sensoren aufgeklebt. Neben die Sensoren wurden 1,6 mm dicke Abstandshalter aus Pertinax-Platinenmaterial (ohne Kupfer) geklebt. Die Anordnung der Hall-Sensoren ist in der Skizze von Bild 3 zu sehen.

Bild 3. Anschlüsse der Hallelemente.

Die zweite Kernhälfte kann man dann z.B. mit Klebeband oder einem Gummiring fixieren. Durch das Loch fädelt man den Leiter mit dem Messstrom. Wie man in Bild 4 sieht, kann man eine Litze auch mehrfach um die Kernhälfte wickeln und so linear die Empfindlichkeit erhöhen.

Bild 4. Mehrfaches Umwickeln des Kerns erhöht die Empfindlichkeit. 

 

Die Elektronik

Als Analog/Digital-Wandler kommt ein MCP3421 zum Einsatz. Dabei handelt es sich um einen sehr preiswerten 18-bit-Wandler. Er verfügt über eine interne Spannungsreferenz mit 2,048 V und hat einen differentiellen Eingang. Damit kann man die beiden Hall-Sensoren so anschließen, dass sich ihre Spannungen addieren. Die Auflösung des Wandlers ist mit 2,048 V / 217 = 0,015 mV für diesen Zweck voll ausreichend.

Als CPU dient der Mikrocontroller eines Arduino-Nano. Dieses Board verfügt über genügend Anschlussmöglichkeiten für diese Anwendung. Als Anzeige dient ein OLED-Display mit 128 x 64 Pixeln. Die relativ einfache Gesamtschaltung ist in Bild 5 zu sehen. Will man eine analoge Anzeige, kann man auch ein Drehspul-Voltmeter anschließen. Ein Volt entspricht dann einem Ampère.

Bild 5. Vollständige Schaltung der Stromzange.

 

Befehle

Zur Bedienung und zum Setzen der Skalierungsparameter der Software des Autors kann man einige Kommandos über die serielle Schnittstelle eingeben. Über die serielle Schnittstelle werden auch die Messwerte angeboten.

 

Kommando „0“ = Nullabgleich

Dieser Befehl sollte nur angewendet werden, wenn gerade kein Messstrom durch die Stromzange fließt. Die Software führt dann den Nullabgleich durch und merkt sich den Offset im nichtflüchtigen EEPROM. Die Hall-Sensoren haben Offsets, die man für korrekte Messungen auf diese Weise kompensieren muss.

 

Kommando „1“ = Skalierungsfaktor für 1 A

Zur Einstellung des Skalierungsfaktors lässt man einen Messstrom von nI = 1 A durch die Zange fließen und führt dabei das Kommando „1“ aus. Dann wird der Skalierungsfaktor ermittelt und im EEPROM abgelegt.

 

Kommando „5“ = Skalierungsfaktor für 500 mA

Analog zum Kommando „1“ dienen hier 0,5 A als Referenzstrom.

 

Kommando „u“

Durch Eingabe eines Wertes nach dem „u“ wird dieser Wert als Spannung ausgegeben und angezeigt. Die Stromzange geht dann für eine gewisse Zeit in den „DVM-Kalibriermodus“. Mit „+“ und „-“ kann man die Ausgabe auf den Sollwert kalibrieren.

 

Kommando „d“

Es werden Default-Werte für die Parameter ins EEPROM geschrieben, um dieses für einen ersten Start zu initialisieren.

 

Aufbau

Um zu demonstrieren, dass man mit wenig Mitteln und begrenzter Hardware eine funktionierende Stromzange realisieren kann, habe ich diesen Hack „schnell mal“ auf einem Steckbrett aufgebaut (Bild 6). Man erkennt den Kern im Vordergrund, links das kleine Display und recht das Arduino-Nano-Board.

Bild 6. Prototyp auf Steckbrett.

Mit der in der Arduino-IDE für das Nano-Board zurechtgetüftelten Software – die übrigens kostenlos von der Elektor-Webseite zu diesem Artikel [1] heruntergeladen werden kann – lief diese selbstgebaute Stromzange auf Anhieb. Vielleicht lassen Sie sich durch diese Schaltung zu eigenen Experimenten oder Projekten rund um die magnetische Messung von Strömen inspirieren!
 



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