Zu Anfang des Jahres haben wir versäumt, unseren Lesern die Bedeutung des Editorials zu erläutern, das, wie dieses hier zum Beispiel, jedes neue E-Zine einleitet – und wenn ich dies hiermit nun mit großer Verspätung nachhole, ist es dennoch nicht zu spät dazu. Das Prinzip ist das Folgende:

Ein halbes Dutzend Autoren, zu denen ich mich zähle, wechseln sich in einer festen Reihenfolge damit ab, entweder aus der über uns hereinbrechenden Informationsflut oder aus eigener Inspiration (oder das, was wir dafür halten) das Richtige für unsere Editorials zu extrahieren; nicht zuletzt auch beeinflusst durch den individuellen Charakter und Humor des zuständigen Redakteurs oder das gerade aktuelle Tagesthema. Dies führt nicht selten zu unerwarteten Reflexionen und Überraschungen, und oft wird ein Editorial oder die Elektronik selbst dabei zur Dekoration degradiert. Manche Editorials mögen nicht sehr offensiv erscheinen, anderen wiederum scheint es vor allem um möglichst viele Klicks zu gehen – die aufeinanderfolgenden Themen scheinen sich gegenseitig zu ignorieren und die polarisierten, oft entgegengesetzten Inhalte heben sich oft gegenseitig auf, wie in einem Kabelpaar, das man zur Unterdrückung von Störstrahlung verdrillt (twisted pair) – und der Mangel an Auseinandersetzung mit den betreffenden Inhalten scheint jeden Konsens, jedes Fazit und jede Erkenntnis im Keim zu ersticken. Die Mehrheit bleibt stumm.

Mit 2000 Zeichen pro Editorial bleibt mir genug Gelegenheit, mich dem von mir gewählten Thema ausgiebig zu widmen, wobei ich natürlich auch die vorgegebene Neutralität gegenüber Technik, Wissenschaft und Nachrichten aus der Technologie wahren muss – die Neutralität gegenüber der Elektronik selbst und ihrer groß gewordenen Tochter, der elektronischen Kommunikation über das Internet, gelenkt von Google, Apple, Facebook und Amazon.

Neutral? Gegenüber Super-Unternehmen aus Kalifornien und ihren Nachahmern? Mit allen Techniken und Tricks der psychischen Manipulation versuchen diese doch, unsere Aufmerksamkeit wie schreiende Marktverkäufer auf ihre unwiderstehlichen Technologien zu lenken. Und viele Programmierer machen sich bereits Gedanken darüber, wie viel Zeit maximal zwischen zwei von uns durchgeführten Klicks verstreichen darf.
Nein, nicht ich (der notorische Pessimist) bin es, der sich darüber beklagt, sondern der 32-jährige Tristan Harris, Ex-Google-Mitarbeiter, Philosoph und Unternehmer, der zum „ethischen Design“ konvertierte.

Wenn das GAFA-Monopol (Google, Amazon, Facebook, Apple) uns seine Philosophen schickt, sollten wir uns bemühen, deren Manipulationsversuche zu vereiteln und dafür sorgen, dass vor allem die jungen Geister dem Klang ihrer Sirenen widerstehen.


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