Von Anfang an glänzten die Digitalmikroskope von Andonstar mit günstigen Preisen bei guter Leistung. Haupteinsatzgebiet sind Elektroniklabore, wo sie z.B. für die Inspektion von Lötstellen und Leiterbahnen oder für hochpräzise und feine Löt- und Reparaturarbeiten nützlich sind. In ihrer Eigenschaft als Mikroskope eignen sie sich auch prima für andere Zwecke, wo man kleine Dinge untersuchen muss.

Haftungsausschluss

Um es direkt klarzustellen: Die in diesem Artikel vorgestellten Mikroskope sind weder für den medizinischen Einsatz noch für die Betrachtung biologischer Proben wie Gewebe, Zellen und Bakterien gedacht. Dafür ist nicht nur die Vergrößerung zu gering, sondern auch die Objektbeleuchtung nicht gleichmäßig genug. Geeignete Mikroskope für Biologie und Medizin finden Sie bei anderen Herstellern.

Das Digitalmikroskop AD409

Beim Digitalmikroskop AD409 handelt es sich um die neueste Ergänzung der Produktpalette von Andonstar. Im Vergleich zu seinen Vorgängern zeichnet es sich vor allem durch sein großes 10,1"-Display aus. Eine weitere wichtige Funktion (Test function) wird nicht explizit beworben: Die WLAN-Fähigkeit.
 
Andonstar AD409
Das große 10,1"-Display des Andonstar AD409 bietet ein hervorragendes Bild.
Das Mikroskop wird als eine Art Display mit einem auf der Rückseite montierten Objektiv geliefert. Außerdem enthält der Karton einen Ständer, eine Grundplatte, zwei flexible weiße LED-Scheinwerfer, eine Infrarot-Fernbedienung, ein abgewinkeltes Mikro-USB-Kabel, ein HDMI-Kabel (mini auf normal) und ein spezielles USB-Kabel mit Schalter samt Netzteil. Der in der Anleitung abgebildete UV-Filter ist übrigens schon auf dem Objektiv vormontiert. Schrauben und ein Innensechskant- bzw. Inbusschlüssel sind ebenfalls enthalten. Man benötigt lediglich noch eine microSD-Karte (max. 32 GB) und zwei AAA-Batterien für die Fernbedienung aus eigenen Beständen.

Bildqualität

Die Nomenklatur von Andonstar ist mir nicht ganz klar. Das AD407 scheint wohl dem AD409 am nächsten zu sein. Der optische Stack des AD409 ist ähnlich wie der des AD407 mit einem minimalen Fokusbereich von 50 mm, aber die Vergrößerung ist etwas besser: bis zu 300-fach anstelle von 270-fach beim AD407. Ein wichtiger Unterschied ist die PC-Unterstützung: Das Modell AD409 hat sie (nur Windows), aber das Modell AD407 nicht. Die PC-Unterstützung in Form eines USB-Anschlusses ist ein nettes Feature, da man damit Mikroskop via Computer steuern kann. Dazu später mehr.

Starke Vergrößerungen erfordern gute Auflösungen. Das Modell AD409 schneidet in diesem Punkt recht gut ab. Laut Handbuch beträgt die höchste Fotoauflösung 4032 × 3024 Pixel (12,2 Megapixel). Erstaunlicherweise lassen die Einstellungen am Gerät sogar eine noch höhere Auflösung von 5600 × 4200 Pixel (23,5 Megapixel) zu.
 
Andonstar AD409 hi-res picture
Dieses Bild wurde mit dem AD409 bei einer Auflösung von 5600 × 4200 Pixeln aufgenommen.

Der Bildsensor selbst ist mit 4 Megapixel spezifiziert (daher die 4 in AD409). Die hohe formale Auflösung geht daher lediglich per Oversampling. Fotos werden nur im JPG-Format gespeichert, was für den beworbenen Einsatzzweck ausreicht. Ein RAW-Format oder zumindest ein verlustfrei komprimiertes Bildformat wäre für hochpräzise Messungen oder Dokumentationen dennoch schön gewesen. Die Speicherkapazität ist dank microSD-Karten mit bis zu 32 GB kein Thema.

Video-Aufzeichnung

Das Modell AD409 kann auch Videos aufzeichnen (MP4-Format). Es stehen mehrere Auflösungen zur Verfügung. Das Maximum kommt mit 2880 × 2160 Pixel bei 24 fps dem UHD-Format nahe. Bei HD-Qualität (1280 × 720 Pixel) ist sogar eine Framerate von 120 fps möglich – ein eher unerwartetes Format für ein Mikroskop. Der Hintergrund für die hohe Bildwiederholrate wird deutlich, wenn man die EXIF-Daten der mit dem AD409 aufgenommenen Fotos inspiziert: Hier wird die Kamera Novatek 96660 erwähnt. Dieser Sensor wird häufig in Action-/Sportkameras und Dashcams eingesetzt. Eine Bildwiederholrate von 120 FPS ermöglicht gute Zeitlupenaufnahmen. Mit anderen Worten, das AD409-Mikroskop ist eine Action-Cam für Elektronik mit einer speziellen Linse und Halterung.
 

Andonstar AD409 exif info
Die EXIF-Infodaten der Fotos des AD409 verraten ein interessantes Detail über das Mikroskop:
Drin steckt die Kamera Novatek 96660.

Eine schwenkbare Halterung

Die Halterung des AD409 ist auf einer recht großen Grundplatte montiert. Das ist bei einem so breiten Display natürlich notwendig, aber auch bei der Arbeit mit größeren Platinen praktisch. Das Stativ erlaubt eine vertikale Bewegung des Mikroskops (nach oben und unten). Der maximale Abstand zwischen Objektiv und Grundplatte beträgt 85 mm. Obwohl die Optik bis zur Grundplatte herunterfahren kann (es ginge sogar noch weiter, wenn man ein Loch hineinbohrt ;-), ist dies nicht sinnvoll, da der Minimalabstand für einen sauberen Fokus bei 50 mm liegt.

Das Stativ kann nach vorne und nach hinten gekippt werden. Das Kippen nach vorne ist nicht so sinnvoll, da es den Abstand zwischen Objektiv und Objekt verkleinert und den Zugang zum Objekt blockiert. Das Kippen nach hinten hingegen schon, denn dadurch erhält man mehr Platz für die Arbeit mit Werkzeugen, ohne durch das Objektiv behindert zu werden. Die Rückwärtsneigung verringert auch das Risiko, das Objektiv versehentlich mit einem heißen Lötkolben zu treffen. Das Display selbst kann ebenfalls gekippt werden, allerdings nur nach hinten.

Der Ständer kann durch Anziehen einer Schraube in jedem Winkel fixiert werden. Dies erfolgt allerdings mit einer einzigen Schraube, was es schwierig (wenn nicht sogar schmerzhaft) macht, die Schraube mit den Fingern zu lösen oder anzuziehen. Hierfür wird ein 12-mm-Schlüssel benötigt. Damit kann man die Schraube zwar sehr fest anziehen, doch wäre ein ergonomischerer Griff durchaus wünschenswert.

PC-Anschluss

Wie bereits erwähnt, kann ein PC unter Windows mit dem AD409 dank dem mitgelieferten 90-Grad-USB-Kabel kommunizieren. Andonstar stellt eine kostenlose, Windows-Version von Microscope Measure zur Verfügung, die entweder über DropBox oder Google Drive verfügbar ist. Mit diesem Programm können Sie das Mikroskop steuern (mit Ausnahme der Fokussierung, die immer manuell erfolgt), alle Arten von präzisen Entfernungsmessungen durchführen und Filter anwenden, um Merkmale des untersuchten Objekts zu optimieren. Es ist natürlich auch möglich, Dateien zu übertragen.

WLAN

Laut Benutzerhandbuch sind die WLAN-Fähigkeiten des AD409 noch experimentell.  Ich habe auch einige Zeit gebraucht, um es zum Laufen zu bringen. Aber wenn es einmal funktioniert, funktioniert es ganz gut. Nach der Installation der App My Measure aus dem Google Play Store auf Ihrem Android-Smartphone oder -Tablet lässt sich eine Verbindung zum Mikroskop herstellen – allerdings nur wenn die Lokalisierungsdienste (GPS) aktiviert werden.

Wenn WLAN aktiviert ist, verschiebt sich die Benutzeroberfläche auf das verbundene Gerät. Die Tasten am Mikroskop und an der Fernbedienung funktionieren dann nicht mehr. Ausnahme ist die Taste „M“, welche die WLAN-Verbindung trennt und die normale Steuerung reaktiviert. Der einfachste Weg zur Aktivierung der WLAN-Funktion ist die Betätigung der Taste „50/60Hz“ auf der Fernbedienung (diese Taste hat keine andere Funktion).

Besondere Funktionen

In den die Menüs der App versteckt sich eine Option zur Bewegungserkennung. Dies ist wahrscheinlich eine der Action-Cam-Funktionen, die kostenlos mit dem Novatek-Kameramodul mitgeliefert werden. Die Bewegungserkennung funktioniert gut und kann praktisch sein, wenn man eine Videoaufnahme starten möchte, während man einen Lötkolben in der einen und Lötzinn oder eine Zange in der anderen Hand hält. Aber Sie können damit auch einen Alarm für mikroskopisch kleine Einbrecher erstellen…

Mit der WLAN-App lässt sich auch Ton aufnehmen (den Ton zusammen mit einem Video). Die Tonqualität ist nicht sehr gut, aber eine denkbare Anwendung wäre die Aufzeichnung von Sprachnotizen, während man ein Objekt unter dem Mikroskop untersucht.
Mit einem PC ist es ebenfalls möglich, sich über WLAN mit dem Mikroskop zu verbinden. Das klappt aber nicht mit dem Tool Microscope Measure, sondern bequem mit einem Browser. Das Mikroskop zeigt sich auf der Sub-Adresse 254 - also z.B. 198.168.1.254, wenn es sich in einem WLAN mit der Basis.-Adresse 198.168.1.XXX angemeldet hat. Dann kann man mit dem PC auf die Fotos und Videos der microSD-Karte zuzugreifen und diese kopieren. Das ist einfacher als das Mikroskop per USB anzuschließen oder die microSD-Karte zu entfernen, um Zugriff auf die Dateien zu erhalten.

Megascope

Ein letztes Wort zum Objektiv. Ab einem Objektabstand von 50 mm kann es scharf stellen. Die maximale Distanz liegt bei mehreren zehn bis hunderten von Metern. Wenn Sie die AD409 aus ihrer Halterung entnehmen und auf einem Helm befestigen, haben Sie eine echte Action-Kamera...
 
Andonstar AD409 macroscope
Schauen Sie und staunen: Das von der Halterung abgenommene Mikroskop hat dieses Bild aufgenommen.
Das Ende der Straße ist etwa 300 Meter entfernt.

Eine praktische Lösung

Das Andonstar AD409 ist ein praktisches elektronisches Mikroskop für Präzisionsarbeiten an z.B. SMDs auf Platinen. Sein 10,1-Zoll-Display liefert ein schönes, scharfes Bild. Der HDMI-Anschluss erlaubt sogar den Anschluss noch größerer Monitore mit noch höherer Auflösung. Der neigbare Ständer bietet einen guten Arbeitsbereich, so dass sich Hände und Werkzeuge frei bewegen können, während die Grundplatte groß genug für große Platinen ist. Features wie USB- und WLAN-Verbindung ermöglichen weitere Funktionen wie präzise Abstandsmessungen und Merkmalsextraktion. Alles in allem ist das AD409 eine schöne Ergänzung für jedes Elektroniklabor. Seine undokumentierten Funktionen werten es nochmals deutlich auf. Vielleicht wäre es noch besser, wenn es anstelle der beiden flexiblen Strahler optional ein paar dimmbare weiße LEDs rund um das Objektiv hätte.
 


Übersetzung: Thomas Scherer