Von Robert Huntley

Neben meiner Tätigkeit als Berater im Bereich des strategisches Content-Marketing schreibe ich auch viele technische Texte. Kürzlich habe ich darüber nachgedacht, wann ich das erste Mal die Maker-Bewegung in einem Artikel erwähnt habe. Mein Nachdenken war eine Art mentaler Zeitreise. Die erste Online-Erwähnung von Makern erschien etwa 2005, im selben Jahr erschien auch die Zeitschrift Make. Ich erinnere mich, dass ich Ende 2009 einen Arduino Diecimila gekauft habe, um damit zu experimentieren. Doch erst so um 2010 oder 2011 wurden Maker von den Fachzeitschriften der Elektronikindustrie „entdeckt“. Einer meiner ersten Kunden mit einer starken Orientierung an der Maker-Community war Atmel, und dieser Firma wurde bekanntlich 2016 von Microchip übernommen. Ab 2010 war ich dann für die Öffentlichkeitsarbeit von Atmel in Europa verantwortlich, wozu auch ein jährlicher Ausflug nach Nürnberg zur Fachmesse embedded world gehörte.

 
Bild: R. Huntley (www.gpioblog.com)

Maker-Community und die Industrie

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Sander Arts (Atmels Marketing-Vizepräsident) während der embedded world 2012, bei dem Arduino am Atmel-Stand nicht einmal erwähnt wurde. Angesichts der Tatsache, dass auf Arduino-Boards immer Mikrocontroller von Atmel stecken, fand ich das etwas merkwürdig. Bis dahin hatte Arduino immerhin schon über 700.000 Boards mit AVR-Mikrocontrollern ausgeliefert. Im darauffolgenden Jahr nahm Atmel die Maker-Bewegung mit einem eigenen Bereich auf seinem Stand voll in die Arme.
 

Die Maker-Community

Die Maker-Community ist kein neues Phänomen. Sie hat viel mit dem Hobby-Ansatz von Amateurfunkern, Hackern und Computer-Clubs gemeinsam. Am wichtigsten ist jedoch, dass professionelle Elektronik-Ingenieure auch in ihrer Freizeit als Maker aktiv sein können. In der Tat entwickeln viele Ingenieure ihre Kompetenzen weiter, indem sie in ihrer Freizeit zu Hause an eigenen Projekten arbeiten. Dies gilt ganz besonders gerade in Zeiten der COVID-Pandemie, mit der wir aktuell zu tun haben. Das Alter ist kein Hindernis für einen Maker, denn man findet sie in allen Lebensbereichen.
 
Am Anfang waren viele Elektronik- und Halbleiter-Firmen unsicher, ob sie sich mit dem Maker-Markt befassen sollten, wenn es einen solchen Markt überhaupt gibt. Mein Eindruck: Einige Firmen haben sich vorübergehend auf Maker eingelassen, während andere weder Zeit noch Marketing-Budgets für die Werbung bei „Hobbyisten“ aufwenden wollten. Zeitschriften wie Elektor hatten es recht schwer, die großen Player im Halbleiter-Markt anzusprechen, obwohl einige die Zeitschrift als notwendig für ihre Medienstrategie betrachtenen. Als ich diesen Beitrag schrieb, wandte ich mich an Don Akkermans, den Geschäftsführer von Elektor, um seine Meinung über den heutigen Maker-Markt zu erfahren. Don und C. J. Abate von der Elektor-Redaktion hatten eine interessante Statistik in petto. Anscheinend gibt es laut einer von ihnen durchgeführten Untersuchung gut zwei Millionen Profile auf Facebook von Leuten, die mit den typischen englischsprachigen Elektor-Newsletter-Lesern übereinstimmen. Don hob hervor, dass „die weltweite Elektor-Community“ professionelle Ingenieure, Technik-Studenten und talentierte Maker umfasst, und seit Jahrzehnten schon sind Elektor-Leser in Top-Tech-Unternehmen der Elektronik-Industrie zuhause. Heute arbeitet Elektor weiterhin mit einem breiten Spektrum von Partnern aus der Industrie – von großen Halbleiterfirmen bis hin zu Start-ups im Bereich Elektronik – zusammen, um die globale Maker-Community mit technischen Content und über neue Produkte zu informieren sowie Wettbewerbe zum Thema Elektronik zu veranstalten.
 

Maker beflügeln die Elektronik-Industrie

Heute stellt die Maker-Community einen nicht zu verachtenden Markt für die Halbleiter-Industrie dar. Firmen wie Adafruit und Sparkfun haben hochentwickelte Elektronik für die Maker-Community auf der ganzen Welt im Programm. Sie investieren viel in technischen Content, Lern-Projekte, Software-Bibliotheken und Treiber. Distributoren von elektronischen Bauteilen wie Mouser und RS Components freuen sich über Bestellungen von Makern. Die Electrocomponents Group (die Holding von RS Components) ging kürzlich mit dem Launch von okdo noch einen Schritt weiter, da hiermit speziell auf die Bedürfnisse von Makern und jungen Unternehmen eingegangen wird.
 
Ohne Zweifel haben Arduino-Boards einen bedeutenden und transformativen Beitrag zum Wandel der Elektronik-Industrie geleistet. Arduino ist eng mit C-Programmierung und der praktischen Anwendung von Hardware verbunden und ermöglicht letztlich eine einfache Anbindung an die reale Welt. Andere Boards wie z.B. der allseits bekannte und beachtete Raspberry Pi haben ähnliche Einflüsse auf eine etwas andere Art und Weise bewirkt. Mit dem Schwerpunkt auf der Programmierung in Python und dem Linux-Betriebssystem richtet sich Raspberry Pi in erster Linie an den Bildungsbereich. Ich habe Boards aus beiden Welten für verschiedene Projekte eingesetzt, aber ich mich mehr auf embedded Systeme konzentriere, bevorzuge ich den direkteren Zugang von Arduino zu den „Eingeweiden“ eines Mikrocontrollers. Abgesehen von der Hardware-Architektur besteht der andere große Unterschied zwischen den beiden Controller-Typen darin, dass Arduino in aller Regel Open Source ist, so dass man Projekte einfach nachbauen und modifizieren kann. Das Raspberry-Pi-Design hingegen ist in einigen Aspekten proprietär.
 

Maker-Boards führen zu offenen Industrie-Standards

Wie auch immer Sie die Maker-Bewegung bewerten: Es gibt mindestens drei dauerhafte Einflüsse, von denen die Elektronik-Industrie profitiert hat und weiterhin profitieren wird. Die erste Auswirkung ist die Übernahme der Pin-Belegung von Arduino-Shields für eine breite Palette von Erweiterungs-Boards, Evaluations-Kits und Referenz-Designs. Es gibt zwei Formate für solche Shields: Eines auf der Basis der ursprünglichen Diecimila/UNO-Boards und ein anderes auf der Basis der neueren MKR-Serie. Das Erstere ist das beliebtere und weiter verbreitete Format. Viele Hersteller erkannten, dass ihre Entwicklungs-Boards eine Schnittstelle benötigen, damit sie mit etwas glänzen können. Dieses „etwas“ könnte z.B. ein MEMS-Sensor, ein Funk-Modul oder ein GNSS-Empfänger sein. Solche Peripherie proprietär zu all den vielen Entwicklungs-Boards hinzuzufügen wäre kostspielig. Stattet man ein Board aber mit einem Arduino-kompatiblen Steckplatz aus, ermöglicht das einen einfachen Zugang zu Tausenden von Peripheriekomponenten. Derzeit arbeite ich beispielsweise an einem I2C-gesteuerten Operationsverstärker-Netzteil, das auf einem STM32-Nucleo-Board basiert, die einen Arduino-Steckplatz hat. Es gibt Hunderte von Anbietern wie Renesas, ONSemi, Intel, TI (um nur einige zu nennen), die Belegung von Arduino-Shields als eine Möglichkeit zur Standardisierung von Peripherie-Erweiterungen für ihre Dev-Kits und zur Einsparung erheblicher Kosten übernommen haben.
 

Demokratisierung von Innovation

Die zweite Auswirkung ist die Leichtigkeit, mit der man ohne formelle Elektronikausbildung einen Prototyp eines Geräts erstellen kann. Dies gilt nicht nur für viele Maker, Schüler und Studenten, sondern für jeden, der eine Idee für ein neues Produkt oder eine neue Anwendung hat. Das Aufkommen von Boards mit Mikrocontroller und den damit verbundenen Modulen, Bausätzen und Peripherie hat eine ganze Community hervorgebracht, die keine Probleme damit hat, ihr Wissen zu teilen. Ob die Elektronik-Industrie ohne Maker-Community einen solchen Weg eingeschlagen hätte, ist die Frage. Wie auch immer: Wie ich in meinem Blog schon ausführte, hat die Kommerzialisierung praktisch zur Demokratisierung von Elektronik geführt. Wenn Sie eine Produktidee haben, fangen Sie einfach an! Elektronik-Entwicklung ist nicht länger ausschließlich auf Forschungs- und Entwicklungslabors großer Firmen beschränkt. Sicherlich wird man auf dem zu einem Produkt Hilfe brauchen, aber die Vielfalt und Zugänglichkeit von Foren wie hackster.io und Design-Diensten wie Indiegogo werden es erleichtern diese Hürden zu nehmen.
 

Maker als zukünftige Arbeitnehmer

Die vielleicht größte Auswirkung der Maker-Bewegung ist noch gar nicht im Fokus der Aufmerksamkeit: Gemeint sind all die jungen Maker, die schon früh gelernt haben, wie man programmiert, wie man eine LED blinken lässt und wie man „Hello world“ auf einem LCD-Bildschirm erscheinen lässt. Ein nicht zu verachtender Teil der Kinder, die in der Schule oder in ihrer Freizeit nachmittags schon mal einen Raspberry Pi oder einen Arduino bearbeitet haben, werden irgendwann beruflich in der Elektronik- oder IT-Branche landen. In Großbritannien haben seit 2010 schon viele Schüler bereits im Alter von acht Jahren begonnen, Python oder C zu lernen. In den kommenden Jahren werden die damaligen Kinder technische Hochschulen und Universitäten mit abgeschlossenem Studium verlassen. Die Vergrößerung des Pools an Ingenieuren ist eine gute Nachricht für die Elektronikindustrie, in der ansonsten das Durchschnittsalter immer höher würde. Ich weiß das genau, ich bin einer davon!
 

Anmerkung des Herausgebers:

Robert Huntley ist Chief Knowledge Officer bei Publitek. Der Artikel „The lasting legacies of the maker movement“ erschien zuerst in Huntleys GPIO BLOG. Er wird hier mit seiner expliziten Erlaubnis veröffentlicht.
 
Elektor stimmt mit Huntley darin überein, dass die Maker-Bewegung die Elektronikindustrie neu inspiriert hat. Wir haben dies seit der Wirtschaftskrise von 2007-2008 aus erster Hand erlebt. In den letzten Jahren haben wir die Popularisierung einer Vielzahl von leicht zugänglichen technischen Plattformen wie Raspberry Pi, Arduino und ESP32 erlebt - alle wurden und werden von Elektor im eigenen Store angeboten und in den Zeitschriften des Verlags ausführlich gewürdigt. Diese Plattformen und hilfreiche Beiträge (z.B. Projekt-Artikel, technische Anleitungen und technische Bücher) unserer Autoren haben zahllosen Makern und Ingenieuren geholfen, neue Projekte in Angriff zu nehmen, neue elektronische Systeme zu konzipieren und sogar Produkte auf den Markt zu bringen und Start-ups beim Markteintritt zu unterstützen!
 
Schon seit den 1960er Jahren ist die Leserschaft der Zeitschrift Elektor sehr breit gefächert gewesen. Auch heute wird Elektor von Ingenieuren über Akademiker bis hin zu Makern gelesen. Elektor erscheint  in englischer, deutscher, niederländischer und französischer Sprache. Aber das ist noch nicht alles: Um die Maker-Community in Europa und darüber hinaus zu unterstützen, gibt Elektor International Media auch die niederländische und französische Ausgabe von MagPi - das offizielle Raspberry Pi-Magazin - sowie eine niederländische Ausgabe des Magazins Make: heraus. Letztere ist eine ausgezeichnete Quelle für Maker im niederländischen Sprachraum für Artikel über Robotik, Drohnen, 3D-Druck, Programmierung und vieles mehr.
 
Bald schreiben wir das Jahr 2021. Das gesamte Elektor-Team vom Management über bei Elektor tätige Ingenieure, Autoren, Redakteure und andere Mitarbeiter sit überzeugt von der Zukunft der Maker-Bewegung und der Elektronik-Industrie im Allgemeinen. Lassen Sie uns weiterhin zusammenarbeiten, um Elektronik zu entwickeln, Wissen zu teilen und Geräte zu verkaufen!