Die letzten Monate waren schlichtweg atemberaubend für die KI-Forschung. Die aktuellen Durchbrüche deuten auf ein neues Kapitel in der menschlichen Entwicklung hin. Zwischen Googles KI-System, das Ärztinnen und Ärzte buchstäblich übertrifft, und der Entdeckung, dass biologische Prozesse denselben Skalierungsgesetzen folgen wie Sprachmodelle, könnten Mai und Juni 2025 als die bislang entscheidendsten Monate in der Geschichte der KI-Entwicklung gelten.

Google-KI übertrifft Ärztinnen und Ärzte

Eine bahnbrechende Ankündigung kam von Google Research und DeepMind: Ihr System r (AMIE) (Articulate Medical Intelligence Explorer) übertrifft nicht nur Ärztinnen und Ärzte in der medizinischen Diagnose – es schlägt sie deutlich. Eine randomisierte Studie, veröffentlicht in Nature zeigt, dass AMIE in mehreren von Fachleuten bewerteten Kategorien – wie etwa diagnostischer Genauigkeit – bessere Ergebnisse erzielte als menschliche Mediziner.

Google hat AMIE inzwischen auch mit visuellen Fähigkeiten ausgestattet: Das System kann medizinische Bilddaten analysieren, darunter PDF-Berichte, Testergebnisse und diagnostische Aufnahmen.

„Unsere Studie hat gezeigt, dass AMIE in simulierten Messenger-Konsultationen bei der Interpretation multimodaler Daten besser abschneidet als Hausärztinnen und -ärzte (PCPs)“, berichten Khaled Saab (Google DeepMind) und Jan Freyberg (Google Research). „Das System erzielte auch in weiteren entscheidenden Qualitätskriterien von Konsultationen bessere Werte, darunter Diagnosegenauigkeit, Behandlungsüberlegungen und Empathie.“
 

Dies stellt keinen evolutionären Fortschritt, sondern eine revolutionäre Veränderung im Bereich medizinischer KI dar.

 

Die Biologie macht ihren KI-Durchbruch

Falls der medizinische Durchbruch von AMIE noch nicht aufregend genug war, sorgt Profluent Bio für die nächste Überraschung. Die ProGen3-Modellreihe demonstrierte ein Phänomen, das Forschende als „Skalierungsgesetze für die Wissenschaft“ bezeichnen – der Nachweis, dass sich das Protein-Design denselben Skalierungsprinzipien unterordnet, die Sprachmodelle so erfolgreich gemacht haben.

Die auf bioRxiv veröffentlichte Forschung zeigt, dass größere ProGen3-Modelle verlässlich mehr gültige und vielfältige Proteinsequenzen generieren. So wie größere Sprachmodelle bei komplexer Argumentation besser abschneiden, erzielen größere Proteinsequenzen höhere Expression und lassen sich einfacher feinjustieren.

Warum ist diese Entdeckung so relevant? Innovatorinnen und Innovatoren können nun vorhersagen, wie sehr sich biologische KI durch bloßes Hochskalieren von Rechenleistung und Daten verbessert. Laut einer Analyse eröffnet dies einen vorhersehbaren Entwicklungsweg für die Optimierung von Proteinmodellen – mit potenziell tiefgreifenden Auswirkungen auf die Arzneimittelentwicklung.

Der multimodale Wettlauf beschleunigt sich

In den vergangenen Monaten liefern sich Technologiekonzerne ein Wettrennen im Bereich multimodaler KI – Lösungen, die mehrere Datentypen (z. B. Text, Audio und Bild) gemeinsam verarbeiten können. Anfang April stellte Meta das Modell  Llama 4 mit einer Mixture-of-Experts-Architektur vor, ausgestattet mit einer „Early Fusion“-Technologie, die Bilder, Text und Video zu einem einheitlichen Datenformat zusammenführt. Kürzlich veröffentlichteGoogle Gemini 2.5 Pro, das multimodale Prompts mit bis zu einer Million Token unterstützt. OpenAI zog Mitte April mit den Modellen GPT-4.1, Mini und Nano nach.

Es ist bemerkenswert, wie schnell sich Langkontextverarbeitung von einem Premium-Feature zu einer allgegenwärtigen Erwartung entwickelt hat. Was noch vor wenigen Monaten als kaum realisierbar galt, ist inzwischen Standard.

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Investitionen folgen auf dem Fuß

Viele der Forschungsergebnisse des Jahres 2025 haben eine massive Investitionswelle ausgelöst. Safe Superintelligence, geleitet vom ehemaligen OpenAI-Mitgründer Ilya Sutskever, sammelte 2 Milliarden US-Dollar bei einer Bewertung von 32 Milliarden. Thinking Machines Lab, gegründet von der früheren OpenAI-CTO Mira Murati, sicherte sich ebenfalls 2 Milliarden US-Dollar bei einer Bewertung von über 10 Milliarden.

Auch bei Übernahmen herrschte im April und Mai rege Aktivität. OpenAI zahlte Medienberichten zufolge rund 3 Milliarden US-Dollar für die Übernahme von Windsurf (vormals Codeium), einer KI-gestützten Plattform für Programmierunterstützung. Infinite Reality übernahm das agentische KI-Unternehmen Touchcast für 500 Millionen US-Dollar.

KI-Versprechen trifft auf Realität

Die KI-Entwicklungen im Mai und Juni 2025 bedeuten weit mehr als inkrementellen Fortschritt. Sie markieren einen Wendepunkt. Wir treten in eine neue Phase ein, in der KI-Systeme zunehmend komplexe Probleme aus der realen Welt bewältigen – in der Medizin, der Biotechnologie und darüber hinaus.

Die kommenden Monate werden zeigen, ob die KI-Revolution ihre transformativen Versprechen branchenübergreifend einlösen kann. Nach allem, was wir bisher gesehen und unter anderem bei Elektor und eeNews Europe berichtet haben, stehen die Chancen gut.


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